Handelsstraße von Gil'Leading nach Shirga

Östlich vom Dramaru: von Baganun bis nach Shirga

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Beitragvon Marijke » So 14. Dez 2014, 00:14

„Können wir los?“

Die sanfte Gedankenstimme riss sie aus ihrer Erstarrung. Regelrecht erschrocken zuckt die hochgewachsene Frau zusammen und hatte sich gerade noch unter Kontrolle eben NICHT hinter sich zu sehen. Sie hätte den „Sprecher“ eh nicht in ihrem Rücken erblickt. Es sei denn, er hätte fliegen gelernt, oder sich überwunden den 3 Etagigen Turm zu besteigen -Sehr unwahrscheinlich.

„Du musst dich nicht in diesen Steinkäfig einsperren..du kannst mich auch gut und gerne hier unten ignorieren.“

Wie wahr. Aber sie ging ja nicht ihrem Seelenpartner aus dem Weg. Das graue Einhorn zwang sie nicht zu einer Entscheidung und drängte ihr auch nicht seine Hilfe auf. Schlimmer noch: Das Einhorn vermittelte seiner Partnerin Vertrauen und gab ihr Zeit und Distanz, wenn diese es wollte. Er war so...SO Verständnisvoll, dass die junge Adlige am liebsten irgendetwas zerstören wollte.

„Morgen...wir gehen morgen.“

antwortete sie. Wie sie es gestern getan hatte und vorgestern und den Tag davor. Sanft zog sich die Präsenz wieder aus ihrem Kopf heraus und zurück blieb ihre eigene triste Gedankenwelt. Nur wenige wussten, dass die forsche, arrogant wirkende und sture blaublütige Marjike Aleide Thyra unentschlossen sein konnte und auch einer Entscheidung auswich. Nach außen hin war sie fokusiert, zielstrebig und stand hinter ihrem Wort. Nun, es war auch leicht Ideale zu vertreten und zu verteidigen, wenn diese einem bisher noch nicht viel abverlangt hatten. Und neben dieser RIESIGEN Entscheidungswolke nagte die eigene Enttäuschung und Angst. Ja! Angst. Sie nannte es beim Namen. Denn das war es. All ihr Handeln hatte bis zu diesem Punkt geführt. DIESER Entscheidung. Nie war ihr in den Sinn gekommen, dass sie eine freie Entscheidung hatte, denn unterschwellig gab es nie eine. Sie war der Erbe des Hauses Thyra -also hatte sie sich ihrer Ausbildung zu beugen, fleißig und hart zu lernen. Dann kam ihr Potenzial zu Tage und ein anderes Schicksal lag ihr zu Füßen: Sie war eine Sidhe und hatte ihre Dienste dem Lande zu unterstellen. Die Enttäuschung genauso viel magische Begabung wie eine Schwalbe schimmen konnte, hatte ihr sehr zu schaffen gemacht -Aber verdammt: sie hatte es ausgeglichen, alles aus sich herausgeholt! Beide Ziele waren ehrenwert; beide Ziele hatte sie bis jetzt zu aller Zufriedenheit gemeistert. Marikje war arrogant, das wusste sie. Bzw. wusste sie, dass ihr Selbstbewusstsein als solches gewertet wurde. Fakt war jedoch, dass sie eine so solide und umfangreiche Ausbildung genossen hatte, dass sie ihr Erbe perfekt verwalten würde können -genauso wie sie eine Bereicherung für die Sidhe war.

„Können wir gehen?!“

Wieder zuckte sie zusammen. Riketz war in vielen Dingen nicht ganz so gesellschaftskonfirm, wie andere Wesen, aber viel sensibler, weswegen sie ihm sein wiederholtes!, gedankliches „Anschleichen“, als das anrechnen konnte, das es war: freches Eindringen.

„Ich sagte morgen! Hör auf damit!“

„Schwester, hast du dir die Nachricht überhaupt angeschaut?“


Marikje schwankte zwischen plötzlichem Schuldbewusstsein und stichiger Wut auf ihren Partner. Sie hatte tatsächlich den versiegelten Brief nicht angerührt, seit dieser vor ein paar Tagen mit einem Kurierreiter auf dem elterlichen Hof angekommen war. Es war eine Nachricht aus Shirga. Wäre es sehr dringend gewesen, hätte man sie anderweitig kontaktiert; so konnte sie davon ausgehen, dass es sich um nichts allzu dringendes handelte. Was jedoch absolut nicht zu ihrem bisherigen Verhaltensmuster passte: Dass sie ihre Aufgaben hinauszögerte. Es fühlte sich so an, als würde sie sich entscheiden, wenn sie den Brief öffnete und dem dortigen Ordern nach kam. Als ob es besser würde, wenn sie ihn ignorierte.

„Wenn wir gleich abreisen, sind wir in kürzester Zeit da- vorrausgesetzt, wir nutzen nicht eure Straßen.“

„Wovon redest du überhaupt und wo sollen wir bitte sein?!“

„Beim Treffpunkt. Soweit ich verstanden hab...“

„Moment..du hast wieder gelauscht!“

„treffen wir....Nein! Ich kann nichts dafür, wenn Greife dazu neigen zu brüllen.“

„Ausgebildete Greife der Sidhe, deren du deine gedanklichen Anwesenheit mit Sicherheit verschwiegen hast! Riketz, du Hornochse!“

„Ich habe nicht gelauscht! Sie sprachen frei und ohne Schutz...Selbst MIT Ausbildung neigt ihr Gedankenfremden Wesen dazu zu brüllen! Und nun hör zu Schwester, wir...

„Du willst sagen, du hast mal wieder meilenweit gewartet, bis ein Laubblatt hustet! Wenn Ginil dich erwischt, heißt das wieder Kopfschmerzen für zwei Wochen bei uns beiden!“

„Maaari! Bitte! Nun hör doch einfach mal zu! 2 Tage brauchen wir bis zum Treffpunkt wenn wir querfeldein reisen. Mit etwas Eile sind wir vor der Frist dort und....“


Betitelte Mari hörte gar nicht zu, sondern hatte mittlerweile den Brief geöffnet und las ihre Order selbst durch. Sich in ihrer Kammer umschauend plante ihr Kopf bereits was sie mitzunehmen hätten, was zu organisieren sei und noch anstand. Zwei Stunden später hatte sie ihr Gepäck beisammen und war bereits auf der Landstraße, noch ehe irgendjemand in dem alten ausgeputzen Gutshaus reagieren konnte. Von ihren Geschwistern hatte sie sich verabschiedet. Ihren Eltern wiederum. Nur ihre Mutter war momentan anwesend und sie hatte keine Zeit auf eine Audienz zu warten, so gab sie einem Diener die Anweisung von ihrer Abreise zu berichten. Bei ihrer Rückkehr würde sie Antworten haben, erhoffte sie sich.

[Zusammen mit ihrem Einhornpartner Riketz auf dem Handelsweg zwischen Gil'Leading und Shirga unterwegs| Von jedem anspielbar, der mag]
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Beitragvon Ishara Lileth Acedia » So 8. Feb 2015, 23:55

Die Regentropfen fingen sich leise in den grünen Blättern des Gesträuchs, das sie umgab. Der Wald, zuvor zunehmend licht, war nun im Grunde nicht mehr vorhanden und bot auch keinen Schutz mehr. Mit einem unwillkürlichen Frösteln zog Ishara den Stoff ihres Mantels enger um sich, duckte sich in der Hoffnung, dem unangenehmen Wind ein geringeres Ziel zu bieten, während ihre Stiefel langsam von der Feuchtigkeit im Gras durchdrungen wurden.
Sie war dergleichen Wetter gewöhnt keine Frage. War sogar weit schlimmeres gewöhnt, wenn sie an die Kälte in Galieth dachte, an Schnee und Eis und Winde die beißen konnten, als hätten sie die Kiefer eines Vielfraßes. Das hieß jedoch nicht, dass dies hier angenehm war. Nur, dass sie damit zurecht kommen würde.
Die Finger der Halbelfe waren klamm und taub doch hielten sie den schimmernden Kompass fest umschlossen und ihre blauen Augen waren fest aus das Instrument gerichtet, um unter schimmerndem Niederschlag auf dem Glas die Richtung zu erkennen, in die der silberne Pfeil wies.
Lileth war noch immer nicht ganz sicher, was sie mit dem seltsamen Ding anfangen sollte. Manchmal kam es ihr sogar vor, als würde sich die Richtung unwillkürlich ändern, oder auf Dinge verweisen, die nicht das Geringste mit ihrem Ziel zu tun hatten. Wahrscheinlich jedoch verstand sie es nur nicht. Und was blieb ihr auch übrig? Selbst wenn das junge Halbblut nicht sicher sein durfte, ob seine Hoffnung der Wahrheit entsprach, das hier war alles, was sie hatte. Die einzige Spur, der einzige Hinweis. Manchmal war das entmutigend, gewiss. Doch da es keine Alternativen gab, spielte das kaum eine Rolle.
Der Boden veränderte sich und offenbar war sie zu einer der regelmäßig genutzten und entsprechend befestigten Straßen geführt worden. Das war ein Umstand, der Ishara nicht gerade behagte, auch wenn ein ängstlicher Blick weit und breit keine unliebsame Begegnung erahnen ließ.
Offenbar sollte sie dem Pfad folgen…
Die Schützin hätte es gewiss vorgezogen sich weiterhin an die entferntere Wildnis zu halten. Der Weg in den Wäldern war leichter zu bewältigen. Dort wusste sie sich zu behelfen und sich zu ernähren. Wusste mit Gefahren umzugehen und sie kannte die Regeln. Sie waren einfach. Unter Menschen jedoch… War rein gar nichts einfach.
Trotzdem… Sie blieb nicht viel länger im Regen stehen sondern betrat schließlich die eigentliche Straße. Vielleicht würde es nicht weit sein. Vielleicht würde sie niemandem begegnen oder das Umfeld begann zumindest etwas mehr Deckung zu bieten, als es das im Augenblick tat. Gerade ergab es schlicht keinen Sinn neben der Straße zu wandern. Man würde sie dennoch weithin sehen können, der aufgeweichte Boden aber mochte ihre Schritte behindern.
Lileths Blick wanderte nun immer wieder nervös über die Umgebung, ehe er zuverlässig zum Zeiger des Kompasses zurückkehrte, der jedoch stur der Richtung der Straße folgen wollte. Beinahe so, als wäre er versucht sie zu ärgern.
Der Tag war grau und die tiefhängenden Regenwolken erlaubten nur sehr wenig Helligkeit. Entsprechend brach die Nacht früh und rasch herein und stellte sie vor die Entscheidung, dennoch weiter zu wandern oder aber sich nach einem zumindest halbwegs geschützten Ort umzusehen.
Einer Möglichkeit für ein Feuer, das zwar verräterisch, angesichts ihres durchnässten Zustandes jedoch auch notwendig war.
Also begann die Halbelfe auch danach auszuspähen. Zunächst erfolglos, während ihr allmählich auch Müdigkeit in die Knochen kroch. Sie war lange gewandert. Aus dem Schatten neben dem Weg löste sich eine dunkle Gestalt, doch das Mädchen zeigte keine Furcht, als dicht neben ihm ein Augenpaar aufblitzte. Im Gegenteil, ihr Gesicht verzog sich zu einem erschöpften Lächeln.
„Da bist du ja wieder“, bemerkte sie leise in beinahe zärtlichem Ton und streckte eine Hand in Richtung des Hundes, der sachte mit der Schnauze dagegen stieß.
„Und Abendessen hast du auch mitgebracht.“ Blut im helleren Fell des Latzes gab einen Hinweis darauf, fass Cyron bereits gegessen hatte, doch das leblose Kaninchen, dass er in den Fängen hielt war offenbar ihr zugedacht. Er musterte sie ruhig aus seinen verschiedenfarbigen Augen und ließ sich das Tier bereitwilig abnehmen. Sie konnte sogar noch einen Hauch von Wärme spüren.
„Danke“, fuhr Ishara leise fort und allein die Präsenz des Hundes gab ihr ein wenig Ruhe. Nicht, weil er so viel ausrichten konnte, sondern schlicht, weil sie das Gefühl von Einsamkeit noch immer nicht gut ertrug. Vielleicht mit jedem Tag weniger. Cyron gehörte zu ihr, egal wie verloren sie sich abseits dessen vorkam. Das bedeutete vieles für sie.
„Ich schätze dann wird es wirklich Zeit, nach einem schützenden Platz zu suchen und ein Feuer in Gang zu bringen. Was meinst du?“ Die Halbelfe erwartete nicht wirklich eine Antwort von Seiten des Tieres. Natürlich nicht und doch manchmal kam es ihr vor, als würde Cyron tatsächlich jedes Wort verstehen… Auch jetzt wandte er den Blick von ihr ab und der Dunkelheit zu, die sie langsam einzuhüllen begann. Gemeinsam mit den Regenschleiern. Dabei kam er noch ein wenig näher, bis die pelzige Flanke gegen ihre Seite stieß. Es lag etwas tröstliches in dieser Berührung und Lileth verbarg den Kompass für den Augenblick wieder unter ihrem Hemd.
Ausnahmsweise schienen die Umstände es sogar gut mit ihr zu meinen, denn die Jägerin musste nicht lange suchen, bis ihre Augen den Umriss einiger Mannshoher Sträucher erspähten, deren Äste sich derart miteinander verflochten hatten, dass sich kaum abseits des Weges ein halbwegs geschützter Raum bot. Geschützt genug vielleicht, um ein Feuer am Leben zu erhalten. Den Versuch schien es wert.
Das feuchte Holz zeigte sich recht widerspenstig, musste schließlich jedoch trotz allem kapitulieren. Seinen Unmut darüber zeigte es durch eine große Menge beißenden Qualms, sodass das frisch ausgenommene Kaninchen wohl eher geräuchert als gebraten wurde. Es sollte ihr Recht sein. Wäre ihr keine Wahl geblieben hätte Ishara auch roh von dem Fleisch gegessen.
Die Halbelfe hatte sich an jener Stelle angerichtet so gut es ging und sprach leise mit dem Hund, der neben ihr lag. Mehr, um die eigene Stimme zu hören, auch wenn die spielenden Ohren des Tieres Aufmerksamkeit verließen.
Wahrscheinlich war es noch recht früh am Abend… Aber das ließ sich bei diesem Wetter schwer sagen. Wenn jemand die Straße verfolgte, würde der Schein des Feuers ihn vermutlich aufmerksam machen… Und als hätte der alleinige Gedanke das Übel heraufbeschworen, veränderte sich Cyrons Haltung schlagartig. Das graue Fell sträubte sich und der Hund war im Zeitraum eines Lidschlages auf den Pfoten. Zunächst nur sichtbar alarmiert und aufmerksam, doch Isharas Herz schlug nervös. Dort war etwas… Oder jemand. Anders als ihr Begleiter konnte sie noch nichts genaueres erkennen… Oder doch? Näherte sich nicht ein heller Schemen? Aber das war zu groß für einen Menschen… Ein Pferd? Vielleicht ein Reiter?

[Mit Cyron neben dem Handelsweg zwischen Gil'Leading und Shirga am Lagerfeuer]
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Beitragvon Marijke » Mo 9. Feb 2015, 02:08

„Eine gute Zeit zum Wandern.“

Dieser kleine Satz, der sich in ihren Gedanken formte war voller Zufriedenheit, Seelenbalsam und Wohlbefinden, dass sie beinahe wirklich eine Gefühlsregung gezeigt hätte. An und für sich hatte das Einhorn auch Recht. Die Luft war frisch und befreiend und in der Tat kam sie sich um eine Last leichter vor, wo sie nun etwas tat. ABER...

„Der Regen fühlt sich wunderbar an und der Abend hat etwas mystisches, findest du nicht?“

Schweigen. Marijke gab nicht einmal den leisesten Anschein, ob sie ihren Partner registriert hatte. Bedächtig setzte sie einfach einen Fuß vor den anderen. Viel zu sehen gab es nicht. Der Regen war etwas abgeklungen, jedoch eine beständige, herunterprasselnde Front. Das Einhorn lief nahe neben seiner Partnerin und schimmerte leicht, wo Dampf von seinem Fell stieg.

„Regen ist Zeitlos -wusstest du das?“

Mari beschleunigte ihre Schritte nicht; auch verkrampfte sie nicht ihre Haltung oder zog die Stirn kraus, um zu zeigen, was sie gerade dachte. Sie zog auch die geölte Lederkapuze nicht tiefer in ihr Gesicht, wo ihr das Wasser hineingeströmt war und nun langsam und sacht sämtliche Kleidung von innen durchnässte. Nein, Marijke blieb stur.

„Du könntest auch einfach aufsitzen, weißt du...“, fuhr das Einhorn im Plauderton fort.

Nun verkrampften sich leicht ihre Hände und sie raffte den Mantel enger um ihren langsam steif frierenden Körper. Doch auch jetzt kam keine weitere Regung. Gedanklich sah es natürlich anders aus in der Sidhe, aber sie war ja nicht nachtragend und höflich und gut erzogen und hätte dieser dämliche Esel sie einfach mal nicht überredet weiter zu reisen, obwohl absehbar gewesen war, wie sich der Abend entwickeln würde. Dabei war absolut klar gewesen, dass Riketz einfach nicht die Nacht in einem Gasthaus verbringen wollte, wobei bei Mari natürlich eher das Argument gezogen hatte, dass sie Zeit aufzuholen hatten. Elende Schindmähre! Ihr war so schon kalt; sie würde ihre Knochen nicht auch noch durchschütteln lassen!

Marijke nieste. Es sah niedlich aus, wie sich die Nase kräuselte und sie plötzlich zusammenschrack und ein„Tschi“ von sich gab. Jeder der ihr gegenüber genau DAS erwähnte, würde nicht mehr lange leben. Riketz hingegen war sich natürlich keiner Schuld bewusst und nahm den tödlichen Blick seiner Begleiterin eher gelassen entgegen, auch war er mutig genug seinen Kopf kameradschaftlich an ihren Arm zu reiben, was mit einem zischendem „Lass das!“ quittiert wurde. Er war jedoch nicht mutig genug ihr auch noch anzubieten, dass sie ein Nachtlager suchen könnten. Ein klein wenig Selbstherhaltungstrieb hatte das Einhorn dann doch noch. Und er kannte seine Partnerin immerhin.

„Du weißt, dass es letztlich nur dir zu Schaden trägt, wenn wir die ganze Nacht laufen -mir macht es nichts aus, egal welches Wetter es ist.“, stellte Riketz fest. „Wenn das deine Art ist mich bestrafen zu wollen, irrst du dich leider was die Effektivität betrifft.“

Täuschte das Einhorn sich, oder hatte er eine ganz leichte Resonanz von Erheiterung bei ihr gespürt? Er hätte sogar ein kurzes Zucken ihrer Mundwinkel bemerkt, aber so gut sah ein Einhorn dann doch nicht, und auch nicht bei diesen Wetterverhältnissen.

„Mari! Bitte! Du holst dir hier draußen den Tod....Hör mit den Blödsinn auf!“

Angesprochene wollte sich gerade umdrehen, um diesen Intelligenzbolzen eines Pferdes mit Horn auf dem Kopf darauf hinzuweisen, dass sie ihn für klüger gehalten hätte und ihre „Bestrafung“, wie er es genannt hatte, sehr gut funktioniere. Er war ja nun immerhin schon zum Betteln übergegangen. Sie sagte nichts dergleichen. Generell war das Schmollen vergessen und auch das Einhorn spitzte interessiert die Ohren.

„Ist das eine Feuerstelle?“, fragte die Sidhe mit einem Stirnrunzeln und blieb stehen. Sie erkannte kaum etwas, sah nur Schemenhafte Fetzen und dunkle Graustufen, die vom Regen erzeugt wurden. Dort KONNTE etwas sein..sie würde sicher nicht einmal einen Baum erkennen, wenn dieser direkt einen Meter vor ihr stünde. Riketz war dagegen pragmatischer und grübelte nicht. Das Einhorn trat ein wenig nach vorne, den Kopf leicht zu Boden gesenkt. Weder Furcht noch Vorsicht strahlte das Wesen aus. Sachte, ganz sachte streckte er seinen Geist, seine Gedanken vorwärts und tastete sein Umfeld ab. Wie ein hauchfeines Streicheln, dass eine schlafende Katze ganz zart berührte, um auf sich aufmerksam zu machen. Neugier klang in seinem leichten „Anklopfen“, genauso wie Offenheit und Interesse.

„Oh...,“ sandte er gedanklich zu Marikje, weitete dies jedoch nicht aus und bevor diese ihrerseits eine Frage formulieren konnte, war Riketz geistige Präsenz wieder bei dem kleinen Feuerschein.

„Sei gegrüßt, Waldkind.“, hauchte das Einhorn der Fremden zu. Nun, das überraschte die Sidhe dann doch ein wenig. Zumal sie nach wie vor NICHTS sah und auch nicht wusste, womit Riketz da eigentlich redete...“Waldkind“ konnte das bedeuten, was sie dachte, was es bedeutete -andererseits nannte das Einhorn Kerzen, Lampen und Laternen Glühwürmchen; und die Sache, als er mit einem Haselnussstrauch „sprach“ sollte auch nicht unerwähnt bleiben -wer wusste also schon, mit wem Riketz nun schon wieder sprach..oder womit.

[Mari und Riketz wandern auf besagter Straße entlang|sie sehen die Feuerstelle und Riketz grüßt vorsichtig gedanklich]
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Beitragvon Ishara Lileth Acedia » Mo 9. Feb 2015, 18:08

Als Ishara die geistige Berührung des Einhorns spürte erschrak sie, so vorsichtig das Wesen sich auch nähern mochte. Das war… Neu und fremd, wenn es sich auch keineswegs verkehrt anfühlte. Im Gegenteil, denn eine seltsame Sicherheit ließ sie wissen, dass sie es tatsächlich nicht mit einem Menschen zu tun hatte. Dabei hätte die Schützin nicht sagen können, wie diese Erkenntnis sich äußerte, geschweige denn, woher sie stammte oder warum sie ihr vertrauen sollte. Aber während ihr Verstand sich mit solchen Fragen plagen mochte spürte sie doch, wie ihre, und damit auch Cyrons Spannung sich wieder etwas löste.
Die Halbwüchsige wurde ruhiger, verspürte sogar einen Anflug von Neugier. Was für ein Wesen mochte das sein? Es würde sich kaum an sie wenden, wenn es auf eine Konfrontation aus war. Wer würde sich schon vor dem Essen mit seiner Mahlzeit unterhalten wollen.
Dennoch, Wachsamkeit schadete trotzdem nicht. Lileth erhob sich von ihrem Platz neben dem traurigen Feuer und zog die fadenscheinige Decke enger um sich, wagte ein paar Schritte zurück in den Regen, in der Hoffnung, sie würde mehr erkennen.
„Ähm… Hallo?“, versuchte sie sich an einer Antwort. Nicht allzu laut, aber vom Geräusch des Regens und dem leisen Zischen des Feuers abgesehen war die Nacht still. Und mochte den unsicheren Klang ihrer Stimme tragen.
Ishara ärgerte sich sogleich. Das letzte, was sie wollte, war ängstlich zu klingen, insbesondere, falls es tatsächlich einen Grund dazu gab. Also richtete sie sich auf und spürte, wie Cyron wieder neben sie trat. Den Blick aufmerksam ins Dunkel gerichtet, so als würde er dort mehr sehen als die Halbelfe.
„Wer bist du?“, das klang fester, herausfordernder. Vielleicht wäre es besser gewesen, auf die gleiche Art und Weise zu antworten, auf die sie angesprochen worden war, aber die Blonde war nicht sicher, ob sie das überhaupt vermochte. Es fühlte sich ein wenig nach jenen Augenblicken an, in denen sie mit Cyron zu sprechen glaubte, von Geist zu Geist, aber war doch wieder völlig anders.
Schließlich gaben die Schleier der Nacht das Geheimnis preis und Ishara konnte allmählich etwas erahnen.
Es sah wirklich nach einem Pferd aus, einem schlanken Schimmel, wie es schien und das war verwirrend, ehe langsam die Erkenntnis in ihren Verstand einsickerte. Kein Pferd. Ein Einhorn.
Das Mädchen stand für den Moment wie gebannt, kaum fähig, den eigenen Augen zu trauen und die Überraschung mochte sich ihrer Miene deutlich ansehen lassen. Da war noch immer Misstrauen, die allgegenwärtige Vorsicht, die aus zu vielen schlechten Erfahrungen geboren wird, aber das war ein Einhorn.
Ein Wesen, dessen Existenz für Lileth bislang nicht mehr gewesen war, als eine Geschichte. Natürlich gab es zahlreiche Dinge zwischen Himmel und Erde, die zu fantastisch schienen, um sie mit dem Verstand zu begreifen. Und niemand im Norden würde es wagen an der Existenz von Wendigos und Frostgeistern zu zweifeln, Lileth selbst hatte in ihren jungen Jahren schon manches gesehen, das selbst dann schwer zu glauben war, wenn man davor stand, aber es war leicht an etwas Böses zu glauben. Es passte in diese Welt.
Aber Einhörner? Die waren ein Symbol für Reinheit oder Hoffnung, Glücksbringer und nach allem, was sie wusste nicht darauf aus, einen zu fressen oder einem die Seele zu rauben, wenn man in eisiger Kälte erfror. Andererseits… Waren die Dinge nie so, wie man sie erwartete oder es sich gar wünschte… Eine Erkenntnis, die Ishara erneut nervös machte.
Das Gesicht der Halbelbe nahm einen verschlosseneren Ausdruck an und mit einer Hand tastete sie nach dem Köcher an ihrer Seite. Dennoch blieb sie zunächst unschlüssig.
Allein der Gedanke auf ein Einhorn anzulegen fühlte sich falsch an. Mehr als falsch. Doch würde sie zu lange zögern, wäre es vielleicht zu nahe bei ihr, um noch etwas zu tun.
Trotzdem. Es war kein Mensch. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass so ein Wesen ihr böses wollte. Und auch ein flüchtiger Blick zu Cyron gab keinen Anhalt für Gefahr. Die Haltung des Hundes zeigte sich neutral, nahezu indifferent. Sie wusste, dass er für sie kämpfen würde. Aber offenbar sah er von sich aus keinen Grund dazu.
Erst als die blauen Augen zu dem hellen Schemen zurückkehrten, erkannte die Blonde, dass es nicht nur ein Einhorn war. Da war eine zweite, in der Dunkelheit viel besser getarnte Gestalt. Aber auch sie war nun nahe genug, um sie eindeutig als humanoid zu erkennen. Isharas Herz tat einen Satz. Ein Einhorn würde sich doch wohl nicht mit einem Menschen abgeben, oder? Hatte der Kompass sie am Ende hierher geführt, weil sie einen Elfen treffen konnte, vielleicht nicht einmal nur irgendeinen?
Die Hoffnung, die in ihr aufwallte und alles andere vergessen ließ, war trügerisch und voreilig. Das wusste sogar sie, aber es half nichts. Der Gedanke, dass der Weg sich dem Ende zuneigen mochte, war mit viel zu viel Sehnsucht verknüpft.
Die erste Enttäuschung barg bereits die folgende Sekunde, als sich schließlich erkennen ließ, dass es sich auf jeden Fall um eine Frau handelte, die neben dem Einhorn ging, als wäre das das selbstverständlichste der Welt.
Aber auch wenn es nicht ihr Vater war. Vielleicht jemand, der ihr helfen konnte? Der ihn kannte? Mehr über das seltsame Artefakt wissen mochte? Überhaupt einen Elfen zu treffen, oder eben eine Elfe. Auch das wäre ein halbes Wunder… So wie eine Begegnung mit einem Einhorn.
Mit entsprechend gemischten Gefühlen erwartete Ishara, was als nächstes geschehen würde.

[Ishara versucht sich einen Reim auf die Sache zu machen und gibt Antwort| Nun bleibt abzuwarten, was geschehen wird]
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Beitragvon Marijke » Mi 11. Feb 2015, 11:18

Die Dunkelheit spuckte tatsächlich etwas aus, auch wenn Marijke es immer noch nicht genau erkennen konnte. Es war generell seltsam jemanden anzutreffen, aber nicht weiter verwunderlich, dass es auch andere Reisende gab, die von dem Regen überrascht worden waren. Mari wusste und sah auch nichts von den Sicherheitsbefürchtungen der fremden Person und fühlte auch das komplette Gegenteil. Die Sidhe war nun nicht lebensmüde oder zu stolz um Gefahr in Erwägung zu ziehen; jedoch hatte sie erstens nie die wirklichen Gefahren der Natur erlebt und hatte auch nie wirklich in Gefahr geschwebt -davon ganz abgesehen, dass sie eine ausgebildete Sidhe war, die nun alles andere als eine wehr- und schutzlose Person war. Die junge Adlige brauchte nicht einmal um die nächste Mahlzeit bangen, da ihr von Rechts her Unterstützung vom Volke zustand -ob sie nun ihr Mahl zahlen konnte oder nicht. Aus diesem Grund und auch aus keinem anderen deutete sie die bange Stimme auch komplett falsch, die durch den Regen zu hören war. Die Sidhe hörte den unsicheren, beinahe ängstlichen Ton – und interpretierte es als Hilfsgesuch. Damit lag sie nun nicht falsch, wenn die Fremde sicher nicht die Art von Hilfe brauchte, die Marijke implizierte. Auch schätzte sie dadurch die Person ganz anders ein.

„Guten Abend.“, begann sie in neutralem Ton und mit fester Stimme. , „Mein Name ist Marijke Aleida Thyra, ich bin eine Sidhe und dies hier ist mein Partner Riketz, benötigst du Hilfe?“

Zwei, drei Schritte ging sie auf die schemenhafte Gestalt zu, um mehr erkennen zu können. Natürlich war das nicht unbedingt von Erfolg gekrönt. Marijke selbst dürfte durch den unförmigen, schweren, geölten Ledermantel unförmig wirken und genauso erkennbar, wie die Gestalt vor ihr. Riketz hatte sich derweil nicht mehr gerührt, für einige Momente hatte er noch interessiert auf die Fremde vor sich gelinst, doch nun war seine Aufmerksamkeit abgeschweift und das Einhorn starrte in eine vollkommen andere Richtung durch den Regen. Man könnte diese Reaktion als gelangweilt werten oder auch brüsk, was jedoch beides nur Halbwahrheiten wären. Es war der einfache Umstand, dass Riketz „mehr“ sah, als seine Partnerin, oder die meisten anderen Wesen. Er spürte „mehr“, er wusste „mehr“, aber in einem so wagen Zustand, dass man nicht wirklich von Wissen sprechen konnte... Es war eine intuitive Erfassung; ein intuitives Bewusstsein, welches einfach ...Einhorntypisch war. Beschreibungen waren da mehr als unvollständig. Man konnte einem Farbenblinden versuchen Farben näher zu bringen -aber ganz ergreifen würde er es nie können. Und Riketz hatte schon lange aufgegeben, gerade den Menschen begreifbar zu machen, warum es so sinnvoll ist einfach im Regen zu stehen und zu lauschen....Mari würde es natürlich anders umschreiben. Aufmerksamkeitsspanne einer Blaumeise und die Ur-Naivität eines Hundewelpens. Irgendwo dazwischen lag sicher die Wahrheit.

„Es ist unhöflich wenn du jemanden ansprichst und dann nicht antwortest!“, rügte sie deshalb ihren Partner gedanklich, der sich nach wie vor nicht regte.

„Aber du hast uns doch vorgestellt und sie hat meine Berührung gespürt, das ist mehr Begrüßung, als ein simpler Name ausdrücken kann.“, stellte Riketz leicht verwirrt fest.

„In der Lautsprache nicht..nun sei nicht so, was auch immer du zu der Fremden sagtest, sie hat dir nicht in der gleichen Weise geantwortet, richtig?“

Nun kam doch wieder Leben in das gehörnte Tier.

„Aber...meinst du, sie ist krank? Sie ist ein Waldkind..“.

Ob das nun als Erklärung oder Frage gemeint war, war nicht heraushörbar. Riketz indessen war nun wirklich verwirrt. Anders als Lautsprechende Wesen, war es nicht ungewöhnlich, dass beim gedanklichen Kontakt nicht alle Partien auch durch eine gedankliche Berührung „antworteten“. Unter Einhörnern im allgemeinen gab es nicht einmal gedankliche Dialoge, wie es Sprachnutzende Wesen gewohnt waren. Man verband sich auf eine geistige Ebene und tauschte Erinnerungen, Gedanken, Emotionen, Gerüche aus. Man teilte ein wenig von seinem Selbst....Für Riketz war es Antwort genug gewesen, dass das von ihm betitelte „Waldkind“ ein Stück auf sie zu und aus der Deckung hervorgekommen war. Dabei war er auch vollkommen übergangen, dass die Fremde ja mit ihnen gesprochen hatte. Menschen mussten alles immer so kompliziert machen!, entschied Riketz mit einem unruhigen Auf- und Niederschütteln seines Kopfes.

Mari unterdessen war noch einen Schritt näher gekommen und überlegte, ob sie nicht doch eine kleine Lichtkugel beschwören sollte. Bisher war ihr die Anstrengung das bisschen Licht nicht wert gewesen. Durch den Regen wäre es eh schwerer das Licht zu speisen, zumal sie es von ihrer Energie nährte und ihr war so schon kalt -davon abgesehen, dass ein Licht sie auf dem Weg nur geblendet hätte und sie erst Recht über sämtliche Hindernisse gestolpert wäre. Aber nun sah die Sachlage ja anders aus. Es wäre wirklich nicht schlecht genau zu sehen, wer oder was da vor ihnen war. Zu aller erst erschrak die Adlige jedoch heftig und zuckte sichtbar zusammen, als sich neben der Fremden etwas großes bewegte. Ein Hund? Aber so groß? Ein Wolf? Nun gesellte sich Marijke auch zu den Verwirrten und starrte einen Moment verdutzt drein.

[Mari begrüßt die Fremde]

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Beitragvon Ishara Lileth Acedia » Mi 11. Feb 2015, 19:25

Sidhe… Sie kannte dieses Wort, wusste es jedoch zunächst nicht genauer zuzuordnen. Es war die Stimme einer Frau, die vor ihr im Dunkeln erklang, doch dadurch allein ließ sich nicht entscheiden, ob sie nun einen Menschen oder eine Elfe vor sich hatte. Sidhe… Und das Einhorn, war ihr Partner? War das möglich? Ein Märchenwesen, dass der Partner einer… Irgendjemandes Partner war? Das klang merkwürdig…
Die weiteren Worte der Fremden rissen Lileth allerdings aus ihren Gedanken. „Hilfe?“, wiederholte sie zunächst völlig irritiert. Unwillkürlich spürte das junge Halbblut, wie brennende Hitze in ihren Wangen emporkroch. Dankbar, dass die Dunkelheit das nicht preisgeben würde. Was dachte sich diese Frau? Wofür hielt sie sie?
„Ich komme sehr gut allein zurecht“, erklärte die Blonde dann in einem abweisenden Ton. Warum stellte sie überhaupt so eine Frage? War das ein Versuch, sich über sie lustig zu machen? Nein. Das war sicher keine Elfe und ein Einhorn, das sich mit Menschen herumtrieb… War vermutlich nicht mehr als ein Pferd mit einem Auswuchs auf der Stirn. Aber das wiederum mochte nicht die Schuld des Tieres sein.
Und das erklärte noch nicht, was sie von ihr wollten. Die Fremde trat auf sie zu. Und weil sie jetzt endgültig zu nahe waren, um mit dem Bogen etwas auszurichten bewegte sich Isharas Hand nervös in Richtung des Schwertgrifffs. Sie wollte die schartige Klinge nicht benutzen, zu lebhaft die Erinnerung an das letzte Mal, aber falls nötig würde sie es tun.
Vielleicht… Waren das ja auch nur Straßenräuber. Ziemlich extravagante Straßenräuber. Sidhe… mit einem Mal fiel es ihr wieder ein. Geschichten über Zauberer. Menschen, die mit Tieren sprechen konnten und über Magie geboten. Die durchs Land zogen und Heldentaten vollführten. Geschichten, die ihre Mutter irgendwann erzählt hatte und die einer Welt entstammten, die mit der Realität nur wenig zu tun hatte. So wie alle Geschichten ihrer Mutter und eine schmerzliche Sehnsucht legte sich über Isharas Brust, schien den Schlag ihres Herzens zu dämpfen. Es ließ sie den Augenblick noch mehr verfluchen, in dem sie sich der Straße genähert hatte. Wenn die Fremde doch einfach ihres Weges gehen würde. Dann konnte die Halbelfe zu ihrem kleinen Feuer zurückkehren und zu ihrem Abendessen. Im Regen fröstelnd verharrte sie jedoch, wo sie war. Zurückzuweichen wäre ein Zeichen von Schwäche. Beute floh, und dann wurde sie gejagt. Andererseits wurde Beute, die nicht floh, erst recht gefressen.
Wenn es Sidhe wirklich gab. Wenn diese Frau eine Sidhe war und über Magie gebot… Dann war sie trotzdem auch ein Mensch, nicht wahr? Dann war kaum zu erwarten, dass sie irgendwelche Kräfte für Heldentum aufbrachte. Ob das Einhorn durch derartige Kräfte festgehalten wurde? Andererseits wirkte das Wesen nicht besonders unterjocht. Nicht wie Tiere, die von Menschen schlecht behandelt wurden, das in der Regel taten. Was sollte sie gegen Magie ausrichten?
Es war gut, dass zumindest Cyron noch immer ruhig blieb, keine Warnung an sie weitergab. Er wirkte argwöhnisch, so wie immer, wenn es um Fremde ging, aber er blieb ruhig.
Ishara war nicht einmal sicher, wann sie zuletzt mit einem Menschen gesprochen hatte. Und das machte es nicht unbedingt einfacher. Sie war lange durch die Wildnis gestreift. Und sie hatte wenig vermisst.
Das Schweigen dehnte sich langsam und ließ ihre Anspannung immer mehr zunehmen. Lileth wollte nicht die erste sein, die es brach, aber schließlich wurde es unerträglich.
„Was willst du von mir?“, erkundigte sie sich schließlich, noch immer ohne einen besseren Eindruck von der Frau, die ihr gegenüber stand gewonnen zu haben. Sie war in einen festen Mantel gehüllt. Der Schimmer des Feuers gab allenfalls preis, dass der Regen zuverlässig von diesem Material abzuperlen schien. Solche Stoffe waren wertvoll. Aber es war schwer zu sagen, ob es das besser machte. Straßenräuber hatten in der Regel nicht die Mittel für so wertvolle Kleidung. Aber was Magier betraf…
Ihr war gar nicht mehr bewusst, dass sie die Vorstellung der Fremden nicht erwidert hatte. Aber wann hatte sich je jemand für ihren Namen interessiert? Andererseits… Wurde der Halbelfe allmählich bewusst. Mochte die Frau vielleicht gar nicht wissen, was sie vor sich hatte. War das möglich? Und wenn ja… Was bedeutete es?
Ihre Andersartigkeit war, bei Licht besehen, viel zu deutlich, als dass sie mit dergleichen viele Erfahrungen gesammelt hätte. Und sie hatte es versucht, sich bemüht die Spitzen Ohren mit Frisuren oder Hüten zu kaschieren. Es hielt selten einem zweiten Blick stand. Dann schien die Aufmerksamkeit der Fremden sich auf Cyron zu richten und auch das gefiel ihr nicht.
Der Hund war wie sie, er hatte wenig gute Erfahrungen mit Menschen gemacht und auch wenn er sich wahrscheinlich besser zu verteidigen wusste, verspürte sie doch den Wunsch ihren Gefährten zu beschützen. Nun trat sie doch noch ein kleines Stück auf die Fremde zu, gerade so viel, um vor den Hund zu geraten.

[Ishara bleibt misstrauisch]
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Beitragvon Marijke » So 15. Feb 2015, 01:13

Ein Hund! Natürlich kannte sie Hunde, aber viel Zeit hatte sie nie mit ihnen verbracht. Mit einer Mischung aus Erstaunen und Vorsicht beäugte sie das Tier. So betrachtet, war ihre Reaktion absurd. Sie hatte während ihrer Ausbildung mit zahlreichen Sidhe-Wölfen und –Suavi zu tun gehabt und nie den leisesten Hauch von Bedenken gehegt. Doch jetzt, bei einem Tier, mit dem sie bei Bedarf sich nicht so verständigen könnte, wie sie es gewohnt war…nun, es stimmte sie nachdenklich. Erst nach dieser Erkenntnis wandte sie sich wieder der Fremden zu.

Und Marijkes Miene verhärtete sich; im Regen jedoch nicht sichtbar. Generell straffte sie jedoch ihre Gestalt und dreht die Schultern ein Stück zurück.

„Zuallererst will ich nichts von dir. Es ist meine Aufgabe danach zu fragen, und bei Bedarf meine Dienste anzubieten.“, gab sie in neutralem Ton zurück. Sie war verärgert. Wetterbedingt zwar nicht ersichtlich, doch ihr Inneres brodelte leicht. Sowie die Fremde die Sidhe missverstanden hatte, interpretierte die Adlige nun die barsche Abweisung falsch. Als wäre Mari ein Kesselflicker, der jedem seine Waren aufdrängte. Man konnte ihr zu Gute halten, dass sie versuchte den Ärger herunter zu schlucken. Es war in erster Linie weit unter ihrer Würde, sich durch ein paar skeptische Worte angegriffen zu fühlen -und wenn sie schon dazu neigte, war es noch weiter entfernt von ihrem Stand, sich die Blöße zu geben, dieses auch zu zeigen.

Ihrem Partner konnte sie natürlich nichts vormachen; er spürte die leichte hitzige Welle der Scham und Verärgerung, die von der Sihde ausgingen. Und das war der Punkt ihres Frustes: Ihr war diese Zurückweisung peinlich. Es ging ihr nicht darum, dass sie Lob oder Dankbarkeit ernten würde für ihre Arbeit -jedenfalls nicht primär; wobei sie sich natürlich eingestand, dass sie über solchiges sich ebenso freuen würde. Es war schlicht ihre Arbeit. Sie wollte sich nicht als etwas Besseres darstellen, noch sich irgendjemandem aufdrängen. -Aber ihr kam es so vor, als geschähe genau das.

Während ein Teil ihres Selbst noch damit beschäftigt war sich zu beruhigen, fragte ein anderer, was sie nun tun würden. Weiterlaufen, nahm sie an. Mehr Optionen blieben ja nicht. Es half auch nicht hier herum zu stehen und sich gegenseitig mit Blicken anzugiften, die dank der Dunkelheit eh keiner sah.

„Nun, dann lebt wohl.“, schlussfolgerte sie knapp und wollte damit die Situation für sich beenden.

„Unsere Anwesenheit ist nicht erwünscht, lass uns weitergehen.“, wandte sie sich an Riketz.

„Ist es das, was ihr Menschen tut?“, fragte er mit dieser sanften Stimme, die kein Wasser trüben konnte, einem aber fuchsteufelswild machte. Man konnte förmlich spüren, wie Mari gedanklich das Gesicht einschlief. Und da sie ihren Partner kannte, gab sie ihm seine benötigte Frage in einem lakonischen, scheinbar desinteressierten Ton:

„Was tun wir Menschen?!“.

„Füllen im Regen stehen lassen…“, antwortete mit der gleichen Milde, wie zuvor.

„Sie ist kein Fohlen! Und wie sie sagte, kommt sie alleine zurecht –nach Standard deiner eigenen Rasse dürftest du nicht einmal alleine bis zur Waldgrenze laufen! Es könnte doch ein Grashalm umknicken und dich plötzlich tiefste Wehmut befallen!“
–es waren bissige, unfaire Worte, das wusste Mari, aber langsam wuchs ihr diese harmlose Situation über den Kopf. Ihr war kalt, es regnete nach wie vor und sie würden vor den Morgengrauen auch keinen geeigneten Unterschlupf mehr finden. Das reichte für gewöhnlich um sie in sehr schlechte Laune zutreiben. Diese Moralapostel-Spielchen ihres Partners kamen da richtig wie gerufen, um sie zur Weißglut zu treiben.

Und sie traf einen wunden Punkt. Auf Sarkasmus reagieren Einhörner nicht unbedingt gut und ein wenig pikiert drehte das Einhorn sich auch von seiner Partnerin weg und sofort zog sich die Präsenz aus ihrem Kopf zurück. Natürlich tat es ihr sofort leid, auch wenn sie einen kleinen Stich Genugtuung spürte. Es war wirklich schwer Riketz aus seiner Gemütsruhe herauszubekommen und wirklich jeder sah neben dem Einhorn wie ein Choleriker aus –es tat der Seele einfach mal ab und an gut zu erfahren, dass man Emotionstechnisch wirklich normal war.

„Es ist kalt…ich werde weitergehen. Du findest mich dann ja schon.“, gab sie ihm noch zu verstehen und drehte dann ab. Die ganze Unterhaltung musste gespenstisch gewirkt haben. Wie die Beiden dort standen und ab und an bewegten, aber minutenlang kein Wort äußerten.

Zielstrebig raffte Marijke ihren Mantel fester um die Schultern und stapfte über die nasse Straße von dannen. Dabei hatte sie den Kopf hoch erhoben und zeigte ihre Haltung absolut nicht, wie kaltgefroren sie sich vorkam. Erst in einigen Meter Entfernung flammte eine ganz blasse Lichtkugel auf, die einige Zentimeter vor der Sidhe über den Boden schwebte. Riketz indessen hatte sich weder gerührt noch anderweitige Anzeichen von sich gegeben. Als das Licht aufflackerte drehte sein feingeschnittener Schädel sich Richtung der Quelle und die Ohren zuckten interessiert in der Richtung –doch ansonsten blieb er regungslos. Wieder vergingen einige Momente, ehe er wohl zu einem Schluss kam.

„Dabei ist es doch so ein schöner Regen.“, sinnierte Riketz in Gedanken laut für alle hörbar, die es hören konnten. Da fiel ihm auch wieder ein, dass er ja beileibe nicht alleine war und seit der „Entdeckung“ seinerseits der Fremden drehte sich seine Aufmerksamkeit wieder zu dieser. Einige Schritte kam er näher und seine Hufe betraten nun Gras, statt grob gepflasterter Straße. Man konnte nun nicht sagen, dass er mehr sehen würde –denn das wäre schlicht eine Lüge. Aber er war ja auch nicht auf das herkömmliche Sehen aus. Ihm ging es um ganz andere Sinne und die sagten ihm auch so, dass die Fremde eine interessante Erscheinung war.

„Warum fragst du nicht einfach, wenn du eine Frage hast? Dafür sind Fragen doch da...“, richtete er seine Gedanken zu ihr und in seinem Tonfall klang Neugier und auch leichte Verwirrung mit, bargen aber keinerlei Tadel, jedoch die Ernsthaftigkeit, dass er die Frage wirklich so meinte, wie gestellt. Rhetorische Fragen waren zwar auch in seinem Repertoire, jedoch nur, wenn er seinerseits auf eine Argumentation aus war –nicht, wenn ihn die Neugier plagte wie jetzt.

[Mari verabschiedet sich| Riketz richtet das Wort an Ishara]
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Beitragvon Ishara Lileth Acedia » So 15. Feb 2015, 10:13

Während die Veränderung im Ton der Fremden alarmierend war, dienten ihre Worte im nächsten Augenblick dazu, Ishara zu verwirren. Die Frau schien verärgert und es wirkte tatsächlich, als sei der Grund dafür die Tatsache, dass ihr Hilfsangebot abgelehnt worden war. So, als wäre es ernst gemeint gewesen.
Im Endeffekt fühlte die Halbelfe sich so nur noch unsicherer als zuvor und sie behielt die Fremde sehr genau im Auge, die jedoch keine Anstalten machte, in eine Konfrontationshaltung über zu gehen. Ob es an der Dunkelheit lag? Vielleicht wusste die Frau schlicht nicht, wen oder was sie vor sich hatte? Das mochte eine Erklärung sein. Menschen waren auch untereinander oft genug unfreundlich aber… Eben nicht immer. Für einen Menschen war ihre eigene Reaktion vermutlich harsch und unfreundlich gewesen und mochte die Reaktion erklären. Zu behaupten, dass Lileth übermäßiges Bedauern empfand wäre jedoch schlicht eine Lüge. Es machte doch wohl kaum einen Unterschied, denn irgendwann wäre der Irrtum ohnehin aufgedeckt worden.
Aber vielleicht hieß das, dass sie sich gar nicht so sehr sorgen musste. Und tatsächlich entbot die Reisende ihr schlicht einen Abschiedsgruß, den Ishara, erneut überrascht sogar mit einem angedeuteten Nicken zur Kenntnis nahm. Ob sich das zwischen Regen und Nacht nun sicher erkennen ließ oder nicht. Blaue Augen verfolgten aufmerksam, wie die Frau sich tatsächlich zum Gehen wandte. Zwar schien es, als würde sie noch einmal inne halten und ohne ersichtlichen Grund zögern, vielleicht etwas vorbereiten, aber schließlich betrat sie doch die Straße und folgte ihr in die Dunkelheit, in der kurz darauf eine kleine Lichterscheinung aufglomm.
Die Halbelfe fühlte sich noch immer unwohl, aber ihre nervöse Anspannung wich ein wenig und sie löste die Hand vom Griff ihres Schwertes, als ihr allmählich bewusst wurde, dass im Gegensatz zu seiner menschlichen Begleiterin das Einhorn immer noch dort war und wie selbst es eben getan hatte, die Lichtererscheinung aufmerksam beobachtete.
Wieder erklang die Stimme des Wesens auf diese merkwürdige Art und Weise in ihren Gedanken, wenn die Worte auch nicht wirklich an sie gerichtet schienen. Ein schöner Regen? Nun, der Regen war eine schlichte Notwendigkeit für den Fortbestand der Natur, spendete Leben, aber es wäre sicher leichter gewesen ihn zu schätzen, wenn man weniger nass und weniger durchgefroren war.
Als hätte es im Gegenzug auch ihre Gedanken vernommen, wandte sich das magische Wesen plötzlich wieder deutlich ihr zu. Verließ die Straße und trat noch etwas zu ihr heran. Noch hielt Ishara ihre Stellung, doch ohne es sinnvoll erklären zu können, fühlte sie sich von dem Einhorn weit weniger bedroht, als von seiner Gefährtin, obgleich sie nicht die geringste Vorstellung davon hatte, was solch eine Kreatur zu tun vermochte, wenn sie feindlich gesinnt war. Es war ein Einhorn. Trotz allem, war es ein Einhorn, selbst wenn es aus irgendwelchen Gründen einem Menschen folgte.
Die Blonde konnte es, nun im Leuchtkreis ihres Feuers, das tanzendes Licht auf die schimmernde Gestalt warf, etwas besser erkennen und kam nicht umhin festzustellen, dass es schön war. Ein Augenblick verging, indem sie schlicht damit beschäftigt war, das magische wesen verwundert zu betrachten. Und eben jene Verwunderung dämpfte auch ihre Furcht, sodass sie nach kurzem, überraschten Zögern, eine leise Antwort auf die Frage gab:
„Weil man, wenn man fragt auch mit der Antwort leben muss und das vielleicht in Wahrheit gar nicht will“, erklärte die Halbelfe verunsichert, doch auf andere Weise. Was das Wesen vermittelte war wenig bedrohlich und vertraut und der Blick des Mädchens glitt zu ihrem notdürftigen Unterschlupf, ehe sie erneut das Einhorn betrachtete.
„Willst du… Mit ans Feuer kommen?“, sprach sie dann eine mehr als seltene Einladung aus und wich nun doch einige Schritte zurück, um den Weg freizugeben. „Dort ist es zumindest ein wenig geschützter.“ Und ihr wurde jetzt erst wieder bewusst, wie kalt es war.
Auch aus Cyrons Haltung wich jede Anspannung und er wandte sich schlicht ab, um zu jener Stelle zu trotten, an der er sich schon zuvor niedergelegt hatte. Der Hund verfolgte noch immer aufmerksam das Geschehen, doch auch hier schien am ehesten Neugier zu Grunde zu liegen und nicht mehr Wachsamkeit.
In der Zwischenzeit, so erkannte Ishara, als ihr Blick kurz zum Feuer schweifte, hatte sich das Kaninchenfleisch endlich entschieden zu garen, es dabei aber gleich wieder mit der Motivation übertrieben, sodass sie nun rasch einschreiten und den Körper wenden musste, ehe er völlig verkohlte.
„Ich…“, von plötzlicher Verlegenheit erfasst wandte sie sich im Anschluss wieder dem Einhorn zu. Es war kein Tier in dem Sinne und so gab es kein instinktives Verständnis dafür, wie mit ihm umzugehen war, aber es war eben auch kein Mensch. Es gab da jene bislang brachliegenden Lektionen über Höflichkeit und Gastfreundschaft, an die Lileth sich nun verzweifelt zu erinnern versuchte, aber vermutlich hatte sie ihrer Mutter schlicht nicht aufmerksam genug zugehört. Entsprechend entstand erneut eine Pause, während die Blonde nach Worten suchte.
„Ich… Kann nicht wirklich etwas anbieten, aber wenn du hungrig bist…“, ihr Blick ging erneut zu dem Kaninchen im Feuer. Ob Einhörner Fleisch fraßen? Das war eigentlich eine sehr merkwürdige Vorstellung. Nun wenn nicht… Gras wiederum gab es hier genug…
Ehe sie sich noch unbeholfener vorkam, nahm schließlich auch Lileth wieder Platz am Feuer und wartete auf andere Weise nervös, wie… Riketz auf ihre Einladung reagieren würde.
„Mein Name ist Ishara“, erklärte sie dann in dem plötzlichen Bewusstsein, sich nicht vorgestellt zu haben und die Verlegenheit nahm zu. „Ishara Lileth Acedia.“ Ob das ein Einhorn überhaupt interessierte? Wahrscheinlich nicht. Bisher hatte es eigentlich niemanden interessiert. „Und das ist Cyron.“ Sie legte eine Hand in das nasse Fell des Hundes und fühlte sich wieder ein wenig besser, nicht mehr ganz so nervös.
Nun konnte sie ihren Gast im vollen Feuerschein betrachten und es änderte sich wenig an ihrer Faszination, bis ihr bewusst wurde, dass sie vermutlich starrte. Hoffentlich war es dunkel genug, um die verlegene Röte zu kaschieren. Ishara schluckte.
„Ich bin viel in den Wäldern unterwegs gewesen, aber ich habe noch nie ein Einhorn gesehen“, erklärte sie in einem plötzlichen, etwas nervösen Redebedürfnis. Zögerte, und fuhr dann doch fort. Hatte er nicht gesagt, dass Fragen dazu da waren, um gestellt zu werden? Das konnte man doch im Grunde als Einladung deuten, oder nicht?
„Warum… Reist ein Einhorn mit einem Menschen? Zwingt sie dich dazu?“, erkundigte sie sich, unsicher, was sie tun würde, wenn es tatsächlich so wäre. Der Gedanke schien ihr… Grässlich. Aber andererseits wirkte das Einhorn nicht gerade, als wäre es besonders unglücklich oder würde schlecht behandelt.

[Ishara packt die Neugier und sie versucht sich als PferdeEinhornflüsterin]
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Beitragvon Marijke » Mi 18. Feb 2015, 00:29

„Weil man die Wahrheit nicht wissen möchte...“, wiederholte er leise, als kaue er auf den Worten herum. Das machte Sinn. Aber weswegen wollte man die Wahrheit nicht wissen...Aus Furcht vor ihr? Dass die eigene Wahrheit nicht die Wahrheit ist. Was war Wahrheit überhaupt? Eine subjektivte Wahrnehmung -ein objektives Kollektiv vieler Aspekte? Aber aus Furcht, aus Aversion keine Fragen stellen wollen und lieber unwissend bleiben. Aber was war überhaupt Wissen? Etwas, was man belegen kann, was gewissen Regeln befolgt, was nachweisbar ist -aber was WAR Wissen? Bücher? Pergamente? Niedergeschriebene Worte auf einem Untergrund gebannt? Musste Wissen irgendwo festgehalten werden, damit es wissen ist? Eine Essenz aus Erkenntnissen? Erfahrungswerte? Ahnungen?

Nervös spielten die Ohren des Einhornes und es prustete unruhig. Es war ein alter Konflikt seinerseits, den er seit seiner Sidhe-Ausbildung mit sich schleppte. Er war ein intuitives Geschöpf. Er WAR die Magie, die er wirkte. Und dabei wusste rt nicht WIE er sie wirkte, aber er konnte es und tat es. Teil seiner Ausbildung war nun, zu wissen WAS seine Magie war und WIE er sie wirkte. Und bei dem schwindelerregend wenigem Begreifen, was er dafür aufbringen konnte, kam er sich...unwissend vor. Beinahe schon als minderwertig, im Gegensatz zu den anderen Geschöpfen der Sidhe; im Gegensatz zu seiner Partnerin, die ein rudimentäres Verständnis hatten wie Magie wirkte und wie man es manipulierte. Wenn man ihn fragte, konnte er nicht beantworten, warum er diese oder jene Handlung vollzog, warum er gewisse Dinge dachte oder ahnte...er war genauso sinnvoll wie eine Wünschelrute -und wer glaubte schon an Wünschelruten -außer man war am Verdursten und in einer Wüste gestrandet?!

„Hör auf damit, Riketz! Ein Einhorn, dass versucht wie ein Mensch zu denken: Ich hab Kopfschmerzen davon!“

, ganz leicht verschwamm die Sicht des Einhornes und vermischte sich ganz vorsichtig mit den Eindrücken seiner Partnerin. Ihre Gedankenstimme war ein leises Kraulen gewesen. Er spürte, wie sie stehen geblieben war, um ihre Stiefel zu richten und mit einem Stock Matsch von den Sohlen zu streichen. Ganz fern spürte er, wie kalt ihr war und gleichzeitig warmgelaufen der Körper; wie wund die Füße, aber keinesfalls zerschunden oder zu erschöpft. Es war die Art ihrer Partnerschaft, dass der Rest ungesagt blieb. Aufmunterungen seitens Marijke. Eine philosophische Diskussion über dieses Thema, selbst eine Rüge oder gar Mitjammern blieb aus -dass wichtigstige blieb dagegen: Das zarte Gefühl von „Es ist egal welchen Platz du in der Welt hast oder zu haben glaubst, solange er bei mir ist.“

Wie lange das Einhorn so fest in Zwiesprache mit seinen Gedanken und Mari war, war schwer abzuschätzen. Es war nicht so, dass es alles komplett ignoriert hatte, jedoch war ein Schleier auf den Rest seiner Empfindungen gefallen derweil und er hatte nur am Rande die zaghaften Fragen des Waldkindes vernommen. Dabei wäre es wohl zu einer sicherlich interessanten Überlegung seitens des Einhorns gekommen, was Ishara ihm denn hatte anbieten wollen. Umso neugieriger kam er dem Feuerschein näher. Hin und Her richtete er seinen Kopf und schnaubte den Boden, das Gestrüpp, Feuerstelle samt Abendessen und zu dessen Unbehagen auch Hund und Waldkind an, ehe er zufrieden schien und wieder zu sprechen begann.

„Seid gegrüßt Ishara und Cyron.“, wiederholte Riketz formell, wobei er scheinbar wieder auf den gedanklichen Klängen der Worte lauschte, die das „Sprechen“ diesiger auslöste, es war auch ein leises Glucksen zu vernehmen. Was er jedoch so lustig fand, war nicht ganz erschließbar.

„Ich bin ebenso häufig über die menschlichen Straßen gelaufen, doch bisher hab ich jemanden wie dich auch noch nicht gesehen gehabt...“,
fing er mit ernster Miene an -insofern man einem Einhorn jene Mimik zuordnen konnte -Gedanken konnten halt doch viel feiner nuancieren, als es seinem pferdeähnlichem Körper möglich wäre.

„Vielleicht bist du eine Gestalt aus einem Märchen..einer Sage und dich gibt es eigentlich gar nicht..“, beendete er nachdenklich seinen Satz. Das schien ihn wieder für einige Minuten zu fesseln. Die Frage, wie man wüsste, dass man existent sei -und wie man denn erfuhr, dass man es eben nicht sei. Man war sich dessen ja nicht bewusst!

„RIKETZ! Hör auf zu quaken!! Kopfschmerzen! Vergessen?!“

-Das brachte das Einhorn dann doch dazu bedeppert und ein wenig dreinzuschauen. Es war nicht so, dass seine Partnerin lauschte -aber das Einhorn neigte dazu in die „Welt zu blubbern“ -wie Mari es nannte-wenn seine Gedanken ihn allzu sehr fesselten. Nun war er jedenfalls wieder wach und dementsprechend auch seine Aufmerksamkeit wieder da.

„Nun, die Frage ist genauso einfach erklärt, wie die Frage, warum ein freies Wesen wie Cyron dich begleitet als wärest du nicht nur sein Rudel, sondern seine leibliche Schwester und nicht als seist du der Führer, dem es zu folgen gelte“
, konterte Riketz mit verschmitzten Ton in seinen gedanklichen Wörtern. Es war auch bezeichnend, dass er seinerseits keine Fragen stellte, oder irgendetwas nachbohrte. Er schien zufrieden mit dem was er erfahren hatte -generell schien er überhaupt kein Ziel oder Sinn zu haben -als sei es genau jetzt das richtige hier im Regen zu stehen und zu reden.

Marijke derweil war noch nicht allzuweit gekommen. Der Regen war nun in feinen Niesel übergegangen. Da ihr aber zuvor schon die Knie schlotterten, war das nicht unbedingt eine großartige Verbesserung. Anders als das Einhorn bedrückten sie keine Minderwertigkeitskomplexe oder schwerwiegende Sinnesfragen. Nein, sie hatte ganz andere Sorgen. Obwohl..so anders war ihre innere Zerissenheit wohl auch nicht. Ihre Frage war nicht was sie nun tun sollte -sondern, wenn sie ehrlich mit sich war: Wie ihre Moralvorstellungen waren -Ihr Ehrgefühl -Ihre Tugenden. Es ging nicht nur darum, welches „Erbe“ sie nun einschlagen würde wollen. Es ging um ihre Werte. Einerseits, was sie wirklich WOLLTE, andererseits, was sie als wichtiger erachtete und inwieweit sie diese beiden Sachen gegeneinander aufwog. Das war keine Entscheidung, die sie später leicht ändern konnte. Ehrlich gesagt, konnte sie sich auch beide Optionen nicht großartig vorstellen. Es hatte immer ein Ziel gegeben, worauf es hinzuarbeiten galt und nun stand sie vor der Entscheidung, wie ihr Leben weiterverlaufen sollte. Wahrscheinlich auch der Grund, warum sie so fluchtartig die Situation mit der Passantin verlassen hatte. Es fühlte sich nicht richtig an, als Sidhe zu fungieren, wenn sie gar nicht wirklich dahinter stehen wollte? Konnte? Als hätte die Fremde alleine mit ihrer Ablehnung entschieden, dass sie lieber ihr weltliches Erbe anstreben sollte, statt beim Orden zu bleiben. Dementsprechend tat es gut einfach mal alleine mit seinen Gedanken zu sein -mehr oder minder. Hatte sie sich denn nicht schon entschieden, indem sie die Order angenommen hatte?!

Moment...war das ein Haus? Nein, eher Schuppen. Kam ihr ein wenig zu klein vor. Rechter Hand sackte der Wegesrand ab und mündete in einer größeren seichten Fläche, die sie bei diesen Wetterbedingungen als Wiese, Feld oder aber auch Vorläufer einer Aue identifiziert hätte. Von moorigen Gebieten und auch Überflutungsgebieten, wie eine Auenlandschaft waren sie noch einige Meilen entfernt. Auch war da, soweit sie sich geografisch erinnerte, auch kein größerere Bach, der ….die Sidhe knurrte regelrecht frustriert auf. Sie musste natürlich automatisch vom Komplizierten ins Simple denken. Hier an der Straße gab es wirklich kaum eine Ansiedlung oder generell Ackerbaunutzung -Dafür umso mehr Weidenflächen! Nun ja..wenigstens hatte sie überhaupt nachgedacht, ehe sie sich beim seichten schlammigen Abstieg die Beine brach. Denn den nahm sie sich jetzt vor. Von der Größe könnte das durchaus der Verschlag für Schafe sein, oder eine überdachte Tränke -war ihr alles Recht, wenn sie nur Feuer machen konnte und einen Fitzel Trockenheit haben konnte. Es war sogar noch besser: Es war ein Schafsstall und er war verdacht UND leer UND trocken. Der Geruch war unangenehm. Da kam dann doch Mari's Herkunft aus ihr hervor. Selbst den intensiven Geruch von nassem, verschwitzten Pferd konnte sie nicht wirklich leiden -auch wenn sie gerade diesen Geruch nun seit einigen Jahren sehr häufig zu riechen bekam. Aber sie wäre auch nicht die Person, die sie war, wenn so etwas banales, wie ein Geruch sie nun daran gehindert hätte, hier ein Nachtlager aufzuschlagen!

„Hab einen geeigneten Ort für ein Nachtlager gefunden. Wenn du fertig mit „dich begießen und wachsen lassen“ bist, kannst du gerne die Nacht in einen warmen Stall verbringen.“ lies sie ihren Partner wissen.

„Und was ist mit unseren beiden Gästen?“
, fragte Riketz unbewusst „laut“, dass es bei Bedarf auch Ishara hören konnte.

„Was soll damit sein? Ich prügel niemanden zurück in den Regen, aber meine Decke teile ich nicht!“ ,antwortete Mari zu ihrem Partner und sie klang amüsiert. Es war auch mal wieder Einhorntypisch, dass Riketz von „unseren Gästen“ sprach, wo er doch zum Feuer der Fremden eingeladen worden war -und nicht umgekehrt.

[Riketz antwortet mit Gegenfragen| Mari findet eine für sie passable Übernachtungsmöglichkeit]
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Beitragvon Ishara Lileth Acedia » Mi 18. Feb 2015, 20:19

Erneut verharrte Ishara geduldig, während das Einhorn in Gedanken zu versinken schien. Es war leichter mit der Natur Geduld zu haben, vielleicht, weil es unumgänglich war. Das Wachstum eines Baumes ließ sich nicht drängen und so möglicherweise auch ein Einhorn nicht. Allerdings verspürte die Halbelfe noch immer eine Spur von Nervosität angesichts der ganzen Angelegenheit. Die Neugier überwog lediglich und sie hoffte, nicht etwa etwas falsches gesagt zu haben. Aber war es nicht so? Oft genug kannte sie die Antworten ohnehin, sicherlich, aber sie zu hören machte sie endgültig und noch ein wenig schmerzhafter als der Gedanke daran. Es ließ die winzige und vielleicht lächerliche Hoffnung auf Alternativen sterben. Hoffnung aber war etwas, dass schlicht notwendig war. Selbst für sie.
Und während RIkez für sie nicht wahrnehmbar in das stumme Zwiegespräch vertieft war, nutzte Lileth die Gunst des Augenblicks, um das Einhorn im Feuerschein noch genauer zu betrachten. Wahrscheinlich war es wirklich unhöfliches Starren, doch sie konnte sich der Faszination schlicht nicht erwehren. Er war genau das, was sie sich vorgestellt hatte, wenn sie jene Geschichten hörte.
Der Gruß rang der Blonden ein unsicheres Lächeln ab und Cyron zeigte sich zumindest aufmerksam. Wenn er den Wortlaut auch nicht begreifen mochte, so verstand das Tier doch gut, dass es angesprochen war und schien die geistige Berührung offensichtlich zu spüren, ohne davor zurück zu schrecken. Vielleicht, weil es schlicht natürlich war, vielleicht, weil es ihm durch seine Herrin vertraut schien.
Die Worte des Fabelwesens indes irritierten Ishara im ersten Augenblick und sie wusste nicht zu widersprechen. Natürlich ließ sich das nicht leugnen aber… Nach einem Augenblick schüttelte sie schlicht den Kopf und ein anderer, bitterer Gedanke bahnte sich seinen Weg in ihr Bewusstsein. Sie senkte den Blick auf das Feuer, sodass die Flammen sich flackernd in ihren blauen Augen spiegelten, während sie antwortete: „Ich schätze es gibt auch nicht viele wie mich. Vielleicht bin ich ja sogar einzigartig.“ Einsam genug fühlte sie sich dafür. Natürlich, sie hatte selten die Gelegenheit ergriffen, mit anderen in Kontakt zu treten. Aber von anderen Halbelfen hatte sie selbst in Geschichten nicht gehört. Vermutlich, weil das hohe Volk und die Menschen nur sehr bedingt kompatibel waren.
Mit einem leisen seufzen schüttelte sie den Kopf, löste sich aus diesen Gedanken und tat sich schwer Riketz‘ folgende Antwort nicht mit einer gewissen Skepsis zu betrachten. Nicht, dass sie die Worte des Einhorns in Zweifel ziehen wollte, aber…
Denk an deine Mutter. Auch wenn die Fremde nicht diesen Eindruck erweckt hatte. Es gab gute, freundliche Menschen. Sie waren nicht dazu gemacht, in dieser Welt zu überleben, wie Elainors Schicksal bewiesen hatte, aber sie existierten… Irgendwann und irgendwo. Und Ishara bemühte sich diesen Gedanken zu akzeptieren.
„Also… Seid ihr Freunde“, schlussfolgerte sie daher bemüht ihren Ton neutral zu halten. Ihr Blick glitt zu Cyron und Erinnerungen erfassten sie.
Es war still gewesen, früh an jenem Tag und nur vereinzelt raschelte etwas im Gebüsch jenseits des Weges oder ein heiserer Vogelschrei erhob sich. Nur deshalb hatte sie das leise Winseln überhaupt hören können.
Ishara hielt inne. Es klang nach einem Tier, das verletzt war. Das hieß entweder, nach einem leichten Frühstück oder nach einem Wesen, das Hilfe benötigte. Mit angespannten Sinnen tauchte sie tiefer in den Wald ein, der ihr allmählich vertraut geworden war.
Es war nicht leicht, das Tier zu finden, weil es nun schwieg, vermutlich erahnend, dass jemand nahe war, und überzeugt, dass das nichts Gutes verheißen konnte. Es war ein Hund, der sich im dichten Unterholz in einer primitiven Drahtfalle verfangen hatte. Das schmutzige grauschwarze Fell hob sich kaum vom dunklen Grün und Braun des Dickichts ab und war voller Kletten. Das Tier hob den Kopf, als sie sich näherte und fixierte Ishara mit verschiedenfarbigen Augen, in denen Wildheit glühte. Das war ein Tier, das die Grausamkeit von Menschen kennen gelernt hatte und nicht bereit war, sie hinzunehmen. Ein dumpfes Grollen erklang tief aus der Kehle des Mischlings, unmissverständlich eine Warnung, obgleich sich rostiges Metall in den Hinterlauf des Hundes gefressen und ihn gefesselt hatte. Er war sehr mager, wirkte trotz seines Gebarens matt. Sie fragte sich, wie lange er hier bereits lag und trotz des Knurrens näherte sie sich ganz vorsichtig, leise murmelnd, ohne, dass das Gesagte irgendeinen Sinn ergeben hätte. So nahe, wie es möglich war, ohne in die Reichweite dieser kräftigen Kiefer zu geraten, ließ sie sich neben dem Hund auf dem Boden nieder und versuchte bewusst, was sie noch vor Monaten nur intuitiv bewältigt hatte.
Es war, als würden ihre Sinne sich ändern, ihre Wahrnehmung der Welt verschob sich und da war mehr, als zuvor. Als könnte sie neue Farben wahrnehmen, Tonfolgen, deren Frequenz ihr zuvor nicht zugänglich gewesen war und sie konnte die Anwesenheit des Hundes spüren, anders, als zuvor.
Es dauerte Stunden, ehe sie ihn berühren konnte. Ishara zog sich die Kappe von den Haaren und füllte das Leder mit Wasser aus ihrem Schlauch. Es war das beste Gefäß für diesen Zweck und sogar erstaunlich dicht. Nach einigen Augenblicken des Zögerns, siegte der Durst über das Misstrauen und das Tier begann zu trinken, ließ sie dabei jedoch nicht aus den Augen. Er entspannte sich jetzt ein wenig in ihrer Gegenwart, doch war das Tier noch weit davon entfernt, sie an das verletzte Bein heran zu lassen. Also teilte sie ihr Wasser und ein paar Streifen Trockenfleisch mit ihm und blieb sitzen, wo sie saß.
Am Nachmittag des Folgetages, konnte sie sich näher wagen, ohne, dass er nach ihren Händen schnappte. Er beobachtete sie, sehr aufmerksam, hechelte und der große Körper stand völlig unter Spannung, aber er ließ zu, dass sie mit den Händen dem Verlauf seiner Beine folgte. Der gesunden zunächst, schließlich wagte sie sich an das kranke. Es schien nichts gebrochen, doch die Haut war da, wo der Draht sie verletzt hatte entzündet und heiß. Es bereitete ihr Mühe das starre Geflecht zu lösen und kaum war es geschehen, wollte der Hund sich losreißen und fortlaufen. Er kam nicht weit, weil das Bein ihn nicht trug.
Erneut bedurfte es einiger Geduld, ehe sie die Verletzungen auswaschen durfte, er fiepte kläglich auf, als sie den Hinterlauf umfasste.
Die Halbelbe war sich der Natur, die sie umgab mehr als deutlich bewusst. Der vielen Pflanzen, zahlloser winziger Organismen, die für das Auge unsichtbar jeden Quadratmeter des Waldbodens erobert hatten. Ihr Geist griff nach dieser Energie und ein Gefühl von Wärme erfasste sie, fuhr durch sie hindurch wie ein Fluss, den sie lenken konnte. Das Tier wurde ganz still als würde es ahnen, dass hier etwas geschah.
Die Verletzungen waren nicht tief und die gereizte Haut wurde blasser, kühler, Schorf legte sich über die Wunden stellen und verbarg sie beinahe unsichtbar im zottigen Fell. Sie bemerkte, dass ihm zwei Zehen fehlten, aber das war eine wesentlich ältere Verletzung.
Diesmal erhob sich das Tier und stand sicher. Ohne einen Blick zurück verschwand der Hund im Wald, während die Halbelbe benommen sitzen blieb, als müsste sie aus einer Trance erwachen.
Schwindelig schüttelte Ishara den Kopf, als sie das Blut bemerkte, das aus ihrer Nase lief, sie fühlte Bedauern über den Verlust dieser Gesellschaft, doch war zugleich froh. Erst am nächsten Tag zog sie weiter, entgegen aller Hoffnung hatte sie nicht mehr den kleinsten Fetzen Hundefell erblickt.
Erst als sie am Abend ihr Lager richtete, sich in die alte Wolldecke hüllte und auf einem mehr als trockenen Brotkanten herumkaute, vernahm sie eine Bewegung im Wald. Alarmiert griff die Halbelfe nach ihrem Bogen. Dann jedoch erhaschte sie den Blick auf ein ungleiches Augenpaar und entspannte sich. Etwas entfernt legte sie ihm ein paar Bissen ihres Proviants hin und kehrte dann zu ihrer Decke zurück. Er zeigte sich nicht, solange sie zusah, doch die Gabe verschwand auf geheimnisvolle Weise.
So gewann sie einen schattenhaften Begleiter. Lileth wusste, dass der Hund ihr folgte, doch es war wirklich schwer, einen Blick auf ihn zu erhaschen. Erst Abends zeigte er sich, um sich seinen Anteil an ihrem Essen abzuholen und mit der Zeit verschwand er nicht mehr sofort wieder.
Es brauchte viele Tage doch irgendwann war es, als hätte es niemals eine Zeit gegeben, in der sie ohne ihren Schatten reisen musste. Nachdem sein Misstrauen überwunden war, schien der Hund nicht weniger nach Gesellschaft zu hungern als Lil es tat und er war ein genügsamer Begleiter. Sie nannte ihn Cyron, nach einem der wenigen elfischen Worte, die sie kannte, und sie schlossen Freundschaft…

Die Blonde blinzelte benommen. Löste sich nur schwer aus der Erinnerung, und als hätte sie die Gedanken in ihrem Geist geteilt, ähnlich, wie das Einhorn seine Stimme, reagierte der Hund darauf, schob sie zur ihr und schob die Schnauze in ihre Hände. Es entlockte der Halbelfe ein Lächeln. Glücklich und traurig zugleich, ehe ihr die Gegenwart des Einhorns wieder bewusst wurde. Wie lange hatte sie sich in Gedanken verloren und schweigend ins Feuer geblickt? Dass sie selbige geteilt haben mochte kam ihr dabei nicht einmal in den Sinn. Ishara schüttelte den Kopf. „Entschuldige, ich… Habe mich nur an etwas erinnert.“
Die erste Antwort jedoch schien nicht ihr zu gelten. „Gäste? Was meinst du?“, fragte sie mit neuer Unruhe und blickte sich alarmiert um. Waren hier noch andere? Doch mit der neu erwachten Wachsamkeit, schien da plötzlich eine zweite Stimme zu sein. Nicht die des Einhorns, vielmehr klang es wie die Frau, die vor einer Weile fortgegangen war. Aber, was mit den Worten gemeint war erschloss sich ihr nur teilweise. Vielleicht hatte sie einen besseren Unterstand gefunden? Das konnte man zumindest vermuten. Und warum sollte ein Magier eigentlich nicht über die Entfernung gedanklich kommunizieren können? Sie sprach mit einem Einhorn… Auf den zweiten Blick war es seltsam sich darüber zu wundern.
„Ich… Will dich keineswegs hier festhalten“, murmelte die Halbelfe doch mit einer gewissen Enttäuschung. „Wenn deine Gefährtin dich ruft. „Es ist nass und kalt.“ Was sie immerhin auch selbst deutlich zu spüren bekam. Schlicht um etwas zu tun zu haben löste sie ein Stück Fleisch von ihrem Kaninchen und nahm hungrig einen Bissen.

[Ishara vertieft sich in die Konversation und in Erinnerungen]
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Beitragvon Marijke » Sa 21. Feb 2015, 16:09

Es war eine bedrückende, sogar leicht niedergeschlagene Stimmung, die das Einhorn vom Waldkind empfing. Eine leise Verwirrung und Orientierungslosigkeit. Es waren nicht nur die augenscheinlichen Strapazen ihres Lebenstiles, die Ishara zu schaffen schienen. Generell schien es eher, dass es das Einzige war, was ihr Halt gab. Was Riketz wiederum ein wenig verwirrte. Aber wann war er mal nicht verwirrt? Dem Ausdruck nach zu schließen fühlte sie sich nicht zugehörig und unerwünscht. Nur weswegen? Die Welt um sie herum war ihr gehöriger, als jeder soziale Stand, den sie unter den Völkern haben könnte. Um genau zu sein, erkannte Riketz nicht die sprichwörtlich halbe Zugehörigkeit zu den Menschen und Elfen. Er sah jedoch ihre Aura, ihre Energie und ihr Zusammenwirken mit der Macht um sie herum. Die Wechselwirkungen und den Austausch zwischen ihr und den Rest der Umwelt. Sie waren wirklich nicht komplett einordbar -jedoch umso..passender. Es war ein wechselnder Übergang. Als sähe man durch farbiges Glas und erkenne dadurch beide Seiten zwar nicht komplett in seiner originalen Farbe -dafür aber die Details umso deutlicher, während Unterschiede mehr und mehr ineinander übergingen. Wie ein Katalysator.

Aber scheinbar konnte sie das nicht fühlen -oder nicht stark genug fühlen. Thalia war ein offeneres Land, als Nachbarsländer -sowohl was Rassentoleranz, wie auch generell Geschlechterrollen betraf. Jedoch war diese Offenheit durch den nun ein Jahrzehnt dauernden Krieg schwer angeschlagen worden. Nicht weil es ein Krieg war, das alleine wäre schon Grund genug -sondern auf welche Weise und durch Wen der Krieg ins Leben gerufen worden war. Die glorreichen Beschützer, die durch Jahrhundertelangen Dienst bewiesen haben, dass es auf die Zusammenarbeit der verschiedenen Völker und Wesen ankam -just diese stürzten das Land in Chaos. Die Fragen kamen zurecht auf, wie richtig die Sidhe-Ideale waren, wenn sie nun als das schlimmste entpuppten, was sich gegen einen normalen Menschen stellen kann. Und das schürte mit einem Male etwas anderes in den Herzen der Bewohner Thalias. In ländlichen Gegenden waren die Rollen und Vorstellungen eh verklemmter, als um die Städte herum. Und auch Aberglaube hielt sich hier hartnäckig und auch noch auf besonderer Weise. Denn Magie gab es ja wirklich. Es war nicht nur ein Hirngespinst für eine gute Geschichte -es war existent. Und wer konnte da schon entscheiden, was es wirklich gab und was nicht? Riketz begann ein wenig zu erahnen, dass das Mädchen es nicht unbedingt leicht gehabt hatte bisher. Es waren ungewohnte Gedanken seinerseits, denn es war ein Welt- und Gedankenbild was für ihn einfach fremdartig war. Was nicht hieß, dass er es nicht erahnen konnte. Er war lang genug unter Menschen gewesen, um eine Ahnung zu erhaschen. Aber darum ging es auch gar nicht oder? Es ging nicht darum wie schwer oder leicht eine Bürde war. Ein jeder empfand seine Bürde genauso schwer, wie er sie als leicht empfand. Man sagte Einhörnern nach, dass sie stets wussten, was sie sagen mussten –immer einen hilfreichen Rat, eine heilsame Bemerkung. Um ehrlich zu sein, wusste Riketz nichts der Gleichen und war sich auch nicht sicher, was er mit seiner neuen Erkenntnis über Ishara tun sollte. Es war nicht so, dass der kleine Hengst ihr nicht irgendwo Komfort geben wollte –er wüsste nur nicht wie. Einerseits gab es wohl auch keine Worte, die über etwas hinweghalfen, was erst die Zeit aufbauen konnte.

So beobachtete er stillschweigend, wie sie tief in Gedanken versank, in einer Erinnerung, die sie weit ab vom jetztigen Hier führte. Auch sah er nachdenklich zu, wie Cyron in diesem gedanklichen Austausch hineingezogen wurde und darauf reagierte. Ob Ishara wusste, dass sie weit mehr war als ein Waldkind? Ein Elf täte nie ein tierisches Wesen so sehr in seine Gedanken ziehen –auch gleich er diese als Lebewesen respektierte und verehrte, so sah er sie doch nicht als gleich mit sich selbst. Er sah es nicht höher oder niedere mit sich selbst, jedoch würde er gedanklichen Austausch und Korrespondenz mit Seinesgleichen bevorzugen und anderweitigen Kontakt nur als den Klang des Lebens, den Klang der Natur wahrnehmen. Ishara hingegen tat etwas, was einer Sidhe nicht unähnlich war –wobei ein Sidhe nie auf die Idee käme wirklich mit anderen Tieren außer magischen Wesen zu kommunizieren. Und wenn solche „Gespräche“ zu stande kämen, dann aus einem bestimmten Zweck. Um das Tier zu heilen, oder zu beruhigen. Aber mitnichten wären sie fähig ein Eichhörnchen oder einen Spatz als ebenbürtig zu empfinden.

Das halbe Kind dort vor ihm jedoch tat genau das. Sie setzte diese Grenze außer Kraft. Vielleicht nur mit ihrem Begleiter, vielleicht nur, wenn sie daran dachte, oder eben nicht daran dachte –aber sie tat es. Wie Einhörner es taten. Ob sie das wusste? Wohl kaum. Und das war der Grund, warum seine eigene Stille tiefer wurde; mehr als nachdenklich..besorgt, sogar bekümmert.

Riketz war das letzte Horn seiner Art. Nun, nicht direkt. Aber das letzte Nebelhorn , was sich gezeigt hat und wahrscheinlich zeigen wird. Es war nicht so, dass es keine anderen Einhörner mehr gab. Aber seine Sippe war gegangen. An Orte, die er nicht einmal in Gedanken fassen konnte, geschweige denn in Worten. Und Einhörner gehen einfach, wenn ihnen die Luft zu eng wird. Wenn die Umwelt sie zu sehr bedrängt etwas zu sein, was sie nicht sein können. Denn sie waren weder das eine noch das andere –sie waren einfach. Und Riketz glaubte zu spüren, dass auch Ishara einfach war. Und sie eine Entscheidung irgendwann würde treffen müssen. Ihr Weg würde nicht einfach sein. Sie würde nie eine Heimat haben, wenn sie ihre Heimat an weltlichen Voraussetzungen maß. Aber sie würde überall heimisch werden, wenn sie das akzeptieren könnte.

„Ja, es ist nass und kalt und ein schöner Regen.“, bestätigte das Einhorn.

„Oh, man sagt, ein Einhorn bleibt immer genau dort, wo es ihn beliebt zu sein.“, lächelte er sie in seiner Gedankensprache an. „Und wusstest du, dass ein Einhorn nur von Dingen angezogen wird, die besonders sind? Wie eine Motte die Nähe zum Licht sucht; wie die Leute wohl auf solche Sachen kommen.“, plauderte er weiter.

„Und der Regen ist wirklich schön…es gibt Dinge, die kann man nicht in einer Höhle, sei sie nun aus Holz oder Stein, fühlen.“, schloss er dann. „Wenn man still genug ist.. ganz leise und, wenn die Sterne herauskommen sollten heute..dann erzählen sie manchmal Geschichten zu einander. Und wenn ich Glück habe, ein ganz klein wenig Glück –könnte ich sie ja vielleicht hören. Auch wenn es nur eine kleine Hoffnung ist, aber dafür warte ich gerne.“

Ishara konnte es natürlich nicht wissen, aber genau die letzte Offenbarung war etwas, was er im Höchstfall Mari erzählt hätte, denn auch er hatte mittlerweile lernen müssen, dass seine Umwelt anders reagiert auf seine Hoffnungen, Wahrnehmungen und Wünsche, als er es ertragen wollte. Nur das er mit Sicherheit nie dafür Konsequenzen hatte erleiden müssen. Doch alleine Unverständnis reichte vollkommen –vorallem, wenn er diese kleinen Kostbarkeiten, wie solche Momente gerne teilen würde.

[bleibt vorerst bei Ishara]
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Beitragvon Ishara Lileth Acedia » Sa 21. Feb 2015, 17:54

Ishara war sich dessen nicht bewusst, was sie mit dem Einhorn geteilt hatte, noch, wie Riketz darüber dachte, doch sei es aus der Haltung und Ausstrahlung des Fabelwesens heraus, der merkwürdigen doch vage vertrauten Berührung seines Bewusstseins oder schlichtem Instinkt, es wurde immer deutlicher, dass das Einhorn ihr unvoreingenommen begegnete. Freundlich. Vielleicht mehr als das. Und langsam wagte die Halbelfe sich ein wenig sicherer zu fühlen, sich zu entspannen. Es war… Ein schönes Gefühl, nicht allein hier zu sitzen und mit jemandem zu sprechen, nicht mehr allein nur mit den eigenen Gedanken, oder Cyrons, die bezüglich solcher Belange nur selten etwas beizutragen hatten. Ihr war nicht bewusst gewesen, wie schwer Schweigen allein entfremden konnte. Und so fühlte sie trotz allem eine vage Dankbarkeit ob der seltsamen Begegnung mit dem mystischen Wesen. Wann hatte sie zuletzt mit jemandem gesprochen? Noch dazu so? Wahrscheinlich wollte die Blonde es gar nicht wissen.
Etwas mühsam schüttelte Ishara die bitteren Gedanken ab. Das war der falsche Zeitpunkt für Selbstmitleid. Davon blieb noch genug für dunklere Stunden. Mehr als genug. Das Fleisch war zäh aber es füllte ihren leeren Magen und brachte sogar ein wenig Wärme mit sich.
„Ein schöner Regen?“, wiederholte sie die Worte ihres Gegenübers fast verwundert, doch hielt einen Augenblick inne, um darüber nachzudenken. Abgesehen davon, dass die Nässe und Kälte an ihr zehrte… Ishara hob den Kopf ein Stück in Richtung des Himmels und spürte, wie einzelne Regentropfen kühl die Haut ihres Gesichts benetzten und wie eisige Tränen über ihre Wangen rannen.
Aber es steckte keine Absicht dahinter. Dem Regen bedeutete sie wenig, im guten, wie im schlechten. Er brachte Leben in das Land, Leben auch für sie und störte sich nicht daran, wer sie war oder wo sie war. Er war unberührt von dieser Welt, wie der Himmel selbst. Und mit einem Mal schien ihr das merkwürdig tröstlich, als würde sie etwas Vertrautes plötzlich mit anderen Augen betrachten. Es hatte geregnet, lange bevor irgendetwas von dem existierte, was sie kannte. Es würde regnen, wenn sich längst niemand mehr erinnerte. Die Nässe verwischte Spuren, wusch das Land, wenn es auch bisweilen Ewigkeiten dauern mochte es zu säubern. Der Regen war vermutlich geduldig genug.
Ishara spürte, wie sie einen Augenblick Ruhe fand und auch der Nachhall der Erinnerung fortgespült wurde. Die Andeutung eines vorsichtigen Lächelns kräuselte ihre Lippen. Die Kälte war nicht mehr so wichtig, während sie den schimmernden Schein ihres Feuers in den fallenden Tropfen erahnte. Nicht für den Augenblick.
„Du hast Recht“, erklärte sie leise. „Es ist ein schöner Regen.“ Und sie empfand eine behutsame Dankbarkeit dafür, dass er sie an etwas erinnert hatte, das irgendwann und irgendwie verlorengegangen war. Die Berührung einer anderen Erinnerung brachte Wärme mit sich. Vage Bilder, die lange zurückliegen mussten. Ein Lachen und der unbeschwerte Tanz von Schnee. Schönheit, nicht mehr, nicht weniger. Benommen schüttelte die Blonde ihren Kopf.
„Ist das so? Das klingt beneidenswert“, stellte sie fest. Dort zu sein, wo man sein wollte. Überhaupt irgendwo sein zu wollen. Es musste ein schönes Gefühl sein, wenn man sich überall zugehörig fühlen konnte. Wenn es nicht wichtig war, wer einen willkommen hieß. Es war ein sehnsüchtiger Gedanke, aber ohne Bitterkeit. Für den Augenblick schien das Einhorn, ob es nun wusste, was es sagen musste oder nicht, tatsächlich ein wenig Hoffnung für sie bereit zu halten. Wenn es diesen Ort für sie gab… Dann würde sie ihn finden. Wenn sie sich nur genug anstrengte, genug dafür tat… Dann würde es sicher gut sein, irgendwann.
Es war schon leichter das gedankliche Lächeln zu erwidern und im Schein des Feuers wurde ihre Miene weicher, wich die Anspannung und Lileth wirkte sogar von seinen Worten amüsiert. Zugleich aber auch nachdenklich.
„Vielleicht brauchen sie einen Grund dafür, dass sich kein Einhorn von ihnen angezogen fühlt. Nicht wegen dem, was sie sind, oder nicht sind, nicht wegen dem, was sie tun. Nur, weil sie nicht besonders genug sind. Das ist einfach. Und ihr könnt wohl nicht widersprechen.“
Aber wenn es wahr wäre… So würde sie wohl kaum hier sitzen und mit einem Einhorn sprechen, nicht wahr? „Oder aber für einen Menschen wird alles, was ein Einhorn berührt zu etwas besonderem. Es gibt so viele Geschichten über euch und die Wunder, die ihr wirken könnt. Hoffnung darauf, dass ihr all die selbstverursachten Probleme lösen könntet“, da war es wieder, dieses bittere Gefühl. Bemüht, sich auf den Regen zu konzentrieren schüttelte sie es ab wie die schimmernden Tropfen auf ihrer Kapuze. Seine Worte halfen ihr dabei.
Ishara wusste nicht, was sie fühlte, aber sie war sich dessen bewusst, dass sie sich nicht fremd fühlte. Dabei spielte keine Rolle, was er war, weil es auch für ihn keine zu spielen schien. So wenig wie für Cyron und sie. Der Kopf des Hundes lag jetzt in ihrem Schoß und er nagte an den Kaninchenknochen, die sie bereits weitestgehend vom Fleisch befreit hatte.
In Riketz Worten lag etwas, das sie nicht zu deuten wusste. Aber es stimmte und veranlasste sie zu nicken, ebenfalls in die Nacht zu lauschen, als wäre da mehr als Regen und Wind. Hoffnung… Natürlich ließen sich die Sterne hinter all den Wolken nicht einmal erahnen, aber sie waren fraglos dort.
„Das müssen wunderbare Geschichten sein“, bemerkte sie leise, die Stimme seltsam rauh in ihrer Kehle. „Wenn du sie eines Tages hörst ist es das Warten sicher wert.“ Zu einer anderen Zeit hätte sie sich vielleicht auch darüber lustig gemacht, gerade jetzt jedoch, fühlte es sich an, als unterscheide sich das kaum von ihren eigenen Träumen.
Ihr Vater, die Familie auf die sie hoffte schien kaum näher als die Sterne am Himmel. Verborgen hinter Wolken aber andererseits… Da, ob man sie sah oder nicht.
„Hast du die Sterne schon einmal flüstern hören?“, fragte Lileth leise, als würde die Antwort irgendetwas bedeuten. Sie dachte an die Geschichten, in denen Sterne wirklich sprechen konnten. Geschichten, die sie vor langer Zeit für die Wirklichkeit gehalten und danach völlig aufgegeben hatte. Aber hier stand ein Einhorn vor ihr.
Die Halbelfe nieste. Wenn der Regen auch schön war… Er blieb nass und kalt und drang ihr bis zu den Knochen. Ishara schüttelte sich wie ein nasser Hund, konzentrierte sich dann jedoch wieder auf Riketz.
"Würdest du... Mir von euch Einhörnern erzählen?", bat sie ihn einen Schimmer von Neugier in den blauen Augen.

[Führt mehr oder minder tiefsinnige Gespräche mit Riketz]
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Beitragvon Marijke » So 22. Feb 2015, 00:18

Man mochte es glauben oder nicht, aber auch dem Einhorn war kalt. Die Nässe und Kälte waren langsam durch das samtene Fell gedrungen, hinab durch Muskeln und hinein in seine Knochen. So unwirklich seine Gestalt auch schien –auch seine Läufe waren mit banalen Schlamm beschmiert –sein Bauch und Flanken mit Matsch besprenkelt, die Mähne strähnig und vollgesogen mit Wasser. Es war seine Ausstrahlung, der eindringliche Blick aus den hellblauen Augen was einen anderen Eindruck vermittelte. Es schien ihn nicht zu kümmern; ihm nichts auszumachen –und wenn es ihm nichts ausmachte, warum sollte es einen Betrachter bekümmern?

Die Worte Isharas ließen ihn innehalten und sie überdenken. Er hatte nie in diese Richtung gedacht, aber dachte ja von sich auch nicht als etwas Besonderes oder wunderbares. Genauso, wie sein Gegenüber ihn für etwas Neuartiges und interessantes hielt –so sah er den Anderen. Für ihn waren die an ihn gerichteten Emotionen meistens Spiegel seiner eigenen. Gerade was Menschen betraf. Mit Ehrfurcht und Staunen begegneten sie seiner Gestalt. Meistens sogar mit einem leichten seligen Lächeln –und er empfand genau das Gleiche! Wenn nicht unbedingt seine Aufmerksamkeit davon driftete. Natürlich brach er nicht in Entzückensschreie aus, oder Hysterie, aber dieses kleine, feine Staunen und die Neugier begleiteten ihn immer.

Die letzte Frage war ihm unangenehm. Man merkte es ihm auch an. Ein Schauer lief durch den Pferdeleib und er drehte die Hinterhand ein kleines Stück und belastete beide Gliedmaßen wieder, wo er zuvor ein Hinterbein entspannt angehoben hatte. Es war auch nicht wirklich ersichtlich WAS ihm unangenehm war. Die Frage nach der Familie war eigentlich eine banale Sache; ein Aufhänger um seichte Konversation zu führen, um Interesse zu zeigen oder um einfach höflich zu sein.
Aber sie hatte nicht nach etwas bestimmten gefragt, nicht wahr? Nur, dass er „etwas“ erzählen sollte. Und sie hatte den gleichen Tonfall benutzt, den ein Kind benutzte, wenn es nach einer Geschichte fragte. Da wollte es auch keine Erklärungen, warum der Held in der Geschichte nicht erkannt hatte, dass der Bösewicht ihn reinlegen wollte und woher plötzlich das magische Artefakt kam, dass dann letztlich zum allgemeinen Sieg verholfen hatte.
Der große Pferdeschädel streckte sich gen Himmel, die Ohren gespitzt, als lausche auch er wieder nach den Sternen. Und wieder kehrte diese Stille ein.

„Meine Mutter hatte mir von den Geschichten der Sterne erzählt. Sie meinte die Sterne seien wie wir. Sie stünden dort auf fernen Wiesen und ab und zu, wenn sie fühlten, es gäbe keine Geschichte mehr, die sie nicht bereits kannten streckten sie ihren Willen aus um jemanden zu suchen, dem sie ihre Geschichten zum Geschenk machen könnten. Denn, so folgerten sie, wenn sie jemanden streiften, der ihre Geschichten nicht kannten –so kannte dieser ebenso Geschichten, die sie wiederum noch nicht gehört und gesehen hatten. Und wenn wir ganz still sind und warten könnte es genau der Moment sein, wo so ein Stern uns erreichen könne und ich könnte ihm meine Geschichten erzählen. Empfindungen und Bilder, Töne und Farben, die ich gesehen hab und die etwas Lebendiges bilden.“


Eine längere Pause entstand und man merkte richtig, wie das Einhorn sich tief in sich hinein verzog. Die Nacht war ein zeitloses Gebilde, die vom Regen verwaschen worden war. Dunkelheit, Kälte, Nässe, Schlamm, Gras war eine Masse. Ein Etwas, was alles verband. Und wie surreal das Feuer in diesem flackerte. Ganz klein und verwundbar und gleichzeitig wie ein Eindringling, der etwas zerstörte.

„Ich weiß nicht, warum sie mir das erzählte. Es war nur ein paar Nächte später, als sie alle verschwanden. Vielleicht eine Metapher? Ein Sinnbild, die mir sagen sollte, dass ich nicht alleine sei und es eine Chance bestünde wieder mit ihnen in Kontakt zu treten. Ich hab nicht nach ihnen gesucht. Warum sollte ich? Mich hätte der Ruf erreicht, wenn ich hätte gehen wollen. „

Der Rest ging in Eindrücken unter. Es war nicht in Worte fassbar, was er ihr vermittelte. Wenn man die Eindrücke filterte konnte man die Wärme von Nebel spüren. Diese klamme Wärme, die nicht wirklich von Wärme zeugte, aber einem die Illusion gab, dass es außerhalb des Nebels kälter war. Es war der Herzschlag seiner Heimat. Nässe und tiefe Schatten in regentriefenden, dunklen Bäumen und Blattwerk. Schemenhafte Pferdeleiber zwischen ihnen. Nicht klar definiert, aber zugehörig.

Und es kam noch etwas mehr. Pikiertheit? Enttäuschung? Er hatte diese Geschichte schon einmal erzählt und war vollkommen missverstanden worden. Dass es etwas vollkommen normales war, nach den Seinen Ausschau zu halten und sei es nur durchs banale „Sterne-Gucken“. Schwacher Frust und auch Unwille seitens des Einhorns und wieder änderte sich das Bild. Einhörner, verstreut und kaum sichtbar durch die samtigen Farben ihrer Leiber. Und alle schauten sie in die Wolken, schauten weg…einzelne Individuen verstreuten sich –kamen wieder. Ein Kollektiv und ein Gedankenkollektiv. Kein „Wir sind eins“ –sondern ein Stimmengewirr ohne Worte und Stimmen. Sie erzählten sich ihren Tag. Einer begann und erinnerte sich seiner Eindrücke, der nächste addierte seine und ein anderer ergänzte. Es ging auch gar nicht so sehr darum WAS „erzählt“ wurde, sondern um das Gefühl des Beisammensein und der Allgegenwärtigkeit. Und in dem Moment, wo er aufhörte dieses Gefühl auszustrahlen und zu senden, „sprach“ er wieder in fassbaren Worten und Bildern.

„Damals glaubte ich auch, dass sie mir das sagen wollte –aber das ist...menschlich gedacht. Sie wollte mir etwas anderes sagen, etwas an mich weitergeben, was ich wiederum weitergebe. Denn das tun wir Einhörner. Davon leben wir. Wir erzählen Geschichten –wenn auch nicht die Art Geschichten, wie ihr Lautsprechenden es kennt und erwartet, aber jede Erinnerung ist eine Geschichte.“

Die Ernsthaftigkeit brach mit einem Male und verschwand vollkommen.
„Wir können natürlich auch Mari zitieren, die mich einmal als riesigengroßen Welpen betitelte und Plappertasche, der einen Stock nach dem Weg fragen würde und sich auch beim wiederholten Male über den simplen Taschenspielertrick freuen konnte, in der einem eine Münze hinter dem Ohr hervorgezaubert wird. Die Wahrheit wird wohl dazwischen liegen, was nun ein Einhorn ist. Und ich glaube bis heute nicht, dass das reine Fingerfertigkeit sein soll. Ich hab die Hände beschnuppert und betastetet –da war nichts! Und als er meinen Schopf berührte war da eine Münze und das andere Mal eine Blume!“, sprach er mit Erstaunen weiter.

„Dir ist richtig kalt, oder?“, stellte er nach einer weiteren kurzen Stille fest. „Mari hat nicht unweit von hier einen Schafsstall gefunden. Er bieten Platz genug für uns alle. Wie ich sie kenne, wird sie sich nicht aufgewärmt haben, oder versucht haben ihre Kleidung zu trocknen. Sag ihr nicht, ich hätte dir das erzählt, aber manchmal glaub ich sie würde sich lieber geißeln, statt einfach Energie von mir zu nehmen für diesen Zweck. Und wenn ich ihr das sage, wimmelt sie mich damit ab, dass sie mir nicht einfach was „wegnehmen“ könne –wenn sie schon pragmatisch argumentieren möchte, sollte sie nicht vergessen, dass ich ihre Kälte genauso spüre als wäre es meine eigene! Oh…obwohl…ich glaub es ist meine eigene.“ Der Monolog brach ab. Es mochte seltsam erscheinen von der vorhergehenden Konversation, doch Riketz behandelte Ishara mehr als seinesgleichen, als ersichtlich war. Nicht nur hatte er ihr einfach ungefragt seine Empfindungen aufgebürdet –sondern auch nun an seinen Gedanken teilhaben lassen. Es war nicht so, dass das Einhorn das nicht sonst auch tun würde –denn in einer Herde gab es keine Geheimnisse oder Privatsphäre oder dergleichen –aber das Unverständnis seiner normalen Umgebung hatte ihn bisher immer sich einigeln lassen. Ein zweischneidiges Schwert war die Aufmerksamkeit eines Einhorns, aber was war schon einfach so wie es schien?!

[erzählt verworren etwas von seiner Art und erzählt Ishara auch von dem Unterschlupf, den Mari gefunden hatte]
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Beitragvon Ishara Lileth Acedia » So 22. Feb 2015, 02:01

Vielleicht lag es nahe, immer das Fremde mit staunenden Augen zu betrachten oder aber angstvoll. Es war nur etwas, an das man für gewöhnlich keinen Gedanken verschwendete. Für Ishara waren vielleicht andere Dinge fremd und vertraut, als man es erwartet hätte, aber das machte am Ende auch keinen Unterschied. Wunder waren Wunder und auf ihre Form kam es dabei nicht an.
Die Halbelfe spürte das Unbehagen des Einhorns und das Lächeln verblasste, als sie hastig dazu ansetzte, sich zu entschuldigen, ihm zu versichern, dass er sich nicht zu dieser Antwort zwingen musste, wenn sie ihn so quälte. Die Frage war unbedarft gestellt worden. Aus Neugier und dem Wunsch heraus sich einem Leben zu nähern, das fremd und vielleicht freundlicher war. Egal was davon er ihr erzählen wollte. Nicht einmal wichtig, ob es der Wahrheit entsprach, weil sie das ohnehin niemals herausfinden mochte. Aber offenbar lernte in dieser Welt selbst ein Einhorn was Unglück war…
Doch ehe Lileth die richtigen Worte gefunden oder gar ausgesprochen hatte, spürte sie erneut Riketz Berührung , die geteilten Gedanken, die mehr waren als bloße Worte und so schwieg sie, lauschte aufmerksam, eben so, wie ein Kind einer Geschichte lauschen würde. Nur dass es mehr war, als eine Geschichte.
Das Empfinden, das mit der Erinnerung an seine Mutter einherging, vermischte sich mit dem, was die Halbelfe empfand, wenn sie an ihre dachte und das seltsame Gefühl der Verbundenheit mit dem Einhorn wurde für einen Augenblick noch etwas stärker. Noch immer war da der Drang sich zu entschuldigen. Aber Lil tat es nicht. Es hätte sich falsch angefühlt. Als wäre irgendetwas verkehrt an diesen Worten, diesem Empfinden, als gäbe es einen Grund sie nicht auszusprechen nur, weil sie von Kummer berührt worden waren. Das Gegenteil war der Fall.
Und so brach die Blonde das Schweigen nicht, das für einen Augenblick einkehrte, versuchte sich stattdessen an die Sterne am Himmel jenseits der Wolkenfront zu erinnern, jeden einzelnen, leuchtenden Himmelskörper. Sie kannte nur wenige beim Namen, einzelne Sternbilder, aber diese Namen waren ohnehin von Menschen gemacht und mochten den Sternen wenig bedeuten. Jenseits davon war Ishara der Nachthimmel vertraut, hatte ihr so oft Gesellschaft geleistet, ihr den Weg gewiesen, selbst wenn sie nicht wusste, wohin sie eigentlich ging.
Die Sterne mussten mehr gesehen haben, mehr Geschichten kennen, als ein Einzelner in einem ganzen Leben teilen konnte. Diese Geschichten zu hören… Klang gleichermaßen erschreckend wie verlockend. Wissen zu können statt hoffen zu müssen, doch nur dann, wenn es tatsächlich Hoffnung gab. Vielleicht hielten die Sterne die Antwort auf jede Frage bereit, aber dann… Ging es wieder warum, ob man die Antwort tatsächlich kennen wollte.
„Vielleicht, weil es dir Wahrheit ist“, wisperte Lileth schließlich, als würde sie nicht wagen lauter zu sprechen. Als könnte eine laute Stimme in diesem Augenblick etwas zerstören, dass sich nicht so einfach fassen ließ. Es wäre schön darauf zu hoffen. Warum sollten Einhörner nicht mit den Sternen sprechen? Aber es war nicht leicht zu hoffen und es würde niemals leichter werden, nur schwerer.
Nicht allein zu sein, begleitet von Erinnerungen und Gedanken an jene, die man liebte, von denen man geliebt und berührt worden war… Das machte in einer kalten, dunklen Nacht keinen echten unterschied. Es wärmte nicht, es vertrieb nicht die Einsamkeit oder die Stille. Vielleicht half es gegen die Angst, zumindest ein klein wenig. Aber selbst das war schwer zu sagen.
„Ich bin nicht sicher, ob ich es richtig verstehe“, begann das Mädchen zögernd, die blauen Augen auf das Fabelwesen gerichtet. „Sie sind fortgegangen?“ Und hatten ihn zurück gelassen. Die Blonde sprach es nicht aus, aber die Worte schwebten auch so zwischen ihnen. Fast bereute sie die Frage, kaum dass sie ausgesprochen worden war. Es musste ihn verletzen oder nicht? Es würde zumindest sie verletzen.
Es gab mehr als eine Art, um zurückgelassen zu werden, aber auf diese Weise? Vielleicht war es anders für ein Einhorn. Ishara bemühte sich, es nicht in Mitleid enden zu lassen. Das war nicht, was sie fühlen wollte. Nicht was sie fühlen sollte. Es wäre beleidigend.
„Weißt du warum?“, wagte sie schließlich auszusprechen, was ohnehin zwischen ihnen lag. Konnte es dafür tatsächlich einen Grund geben? Aber es waren Einhörner, nicht wahr? Und sie war keins. Vielleicht lagen die Dinge für Riketz anders, als Lileth sie empfand, so sehr sie sich auch um Verständnis bemühen mochte. Vielleicht hätte sie ihn bloß um die Sicherheit beneiden sollen, sie zu finden, wenn es das richtige gewesen wäre. Doch wenn es das nicht war, was dann?
Hätte sie an seiner Stelle nicht alles daran gesetzt ihre Familie zu finden? War das nicht, was sie tat? Vielleicht war er nur klüger, wenn er die Auswegslosigkeit erkannte, aber… Was war die Alternative? Für den Rest des eigenen Lebens allein bleiben?
Allein auch neben denen, denen man sich verbunden fühlte, weil sie trotz allem fremd waren, anders und dort immer ein kleiner Teil übrig blieb, den niemand verstehen und erreichen würde. Keine klaren Gedanken nur vage Empfindungen, mit denen sie zu verstehen versuchte, was das Einhorn ihr vermittelte. Aber sie war kein Einhorn. Sie wollte sich nicht anmaßen es zu verstehen oder gar zu beurteilen. Er war hier und offenbar war es in diesem Fall tatsächlich da, wo er sein wollte.
Es machte sie schwindelig, einen Augenblick lang hätte Ishara nicht mehr sagen können, wo ihr eigenes Bewusstsein endete und seines begann. Die wortlosen Eindrücke waren wie ferne Erinnerungen. Das Gefühl des Nebels, der Geschmack der Luft. Als wäre sie selbst einmal dort gewesen, vor langer Zeit. Sie empfand ein Gefühl von Wärme und zugleich eine unbestimmte Sehnsucht danach, da es tatsächlich mit eigenen Augen zu sehen.
„Vielleicht wirst du es verstehen, wenn du mit den Sternen gesprochen hast“, erklärte die Halbelfe schließlich aus dem Bedürfnis heraus überhaupt etwas zu sagen. Sie hatte keine Antwort, aber das war auch nicht zu erwarten gewesen, das war vielleicht nicht nötig. Lileth fühlte sich benommen, als die Eindrücke sich veränderten. Es war nicht leicht das zu verstehen, wenn es sich auch vage vertraut anfühlte. Wie jene Momente, in denen sie Teil dessen war, was um sie herum lebte. Cyron, ein Eichhörnchen im Dickicht, ein Rabe auf einem Baum, Leben. Das hatte nichts mit Worten zu tun, aber es kam diesem Empfinden von allem, was sie jemals kennen gelernt hatte am nächsten.
So war es leichter zu verstehen. Wenn man sich des eigenen Platzes so sicher sein konnte… Vielleicht war irgendetwas daran trotz allem beneidenswert. Das Mädchen war nicht einmal selbst sicher, welchen Sinn die eigenen Gedanken ergaben. Sie waren wirr, intuitiv. Fühlten sich beinahe fiebrig an, doch ihr Blick, der auf Riketz lag war dankbar. Für das, was er mit ihr geteilt hatte, wenn sie auch scheiterte angemessene Worte zu finden. Vielleicht konnte er es ja spüren, auf die gleiche Art und Weise.
Dann brachte er sie doch wieder zum Lächeln und es ging schon leichter, als hätte ihr Gesicht sich inzwischen daran erinnert, wie es funktionierte. Eine herbeigezauberte Münze… Nach allem klang das so erschreckend trivial. Aber vielleicht war auch das eine Frage der Perspektive. „Warum nicht einen Stock fragen, wenn man seine Sprache sprechen kann?“, murmelte sie jedoch. Nur weil jemand wie die Frau das nicht vermochte. Wenn Sterne einem Einhorn Geschichten erzählten. Wer wusste dann, was andere Dinge taten? Alles was lebte bildete eine Welt, die weit über das hinausging, das den menschlichen Sinnen zugänglich war. Und sie wusste das, weil sie ein ums andere Mal wenigstens einen Blick über diese Grenze erhascht hatte.
Der Themenwechsel überraschte Ishara und wie auf Kommando nieste die Halbelfe erneut, schüttelte jedoch zugleich den Kopf. „Es ist schon in Ordnung“, erklärte sie ruhig. „Ich… Komme aus dem Norden, dort ist es viel kälter als hier und den Großteil des Jahres wird das Land von Schnee bedeckt… Vielleicht bist du ja auch schon im Norden gewesen? Oder im Süden? Ich habe gehört, dass es dort Orte gibt, an denen jederzeit die Sonne vom Himmel brennt und das Land versengt bis nichts mehr wächst.“ Im Augenblick klang das trotzdem einladend. Sie vermisste die Wärme der Sonne geradezu schmerzlich. Es stimmte, dass sie in der Kälte aufgewachsen war. Aber es entsprach auch der Wahrheit, dass Ishara sie ein Leben lang verabscheut hatte. Doch noch näher an das kleine Feuer heranzurutschen hätte bedeutet sich mitten in die Glut zu setzen.
„Einen Schafstall?“, die Blonde horchte auf, doch dann zögerte sie. Erneut waren Riketz Worte verwirrend und gaben ihr das Gefühl nur ungefähr die Hälfte dessen zu verstehen, was wesentlich war, aber sie nickte. Es reichte um zu erkennen, dass, so seltsam die Vorstellung auch anmuten mochte, auch das Einhorn unter der Witterung litt und dass es eine Einladung ausgesprochen hatte.
Die Frage war nur… Ob sie sie annehmen sollte. Und als würde er auf genau diese Entscheidung warten verharrte der Hengst und der Blick seiner hellblauen Augen ruhte auf ihr.
Normalerweise hätte Lileth kaum darüber nachgedacht, doch jetzt zögerte sie. Der Gedanke mit einem Mal wieder mit Regen und Nacht und den eigenen, noch aufgewühlten Gedanken allein zu sein, war merkwürdig beängstigend. Aber sie fürchtete sich auch vor einer Konfrontation mit Mari, wenn die Frau auch eine Freundin des Einhorns sein mochte war die Halbelfe nicht sicher, ob das irgendetwas zu bedeuten hatte. Sollte sie es darauf ankommen lassen? Die Nacht war noch lang und würde nicht gemütlicher werden. Ihr Feuer zischte schwach, vermutlich würde es nicht durchhalten und sie konnte selbst spüren, wie ihre Muskulatur zitterte, um sie warm zu halten.
Noch ehe es zu einem bewussten Gedanken geworden war, war Ishara auf den Beinen. „Dann… Lass uns dorthin gehen“, erklärte sie mit leiser Stimme. Die Unsicherheit mochte ihr deutlich anzumerken sein, als sie die Reste ihres Feuers sorgfältig erstickte und mit sich nahm, was ihr gehörte. Cyron folgte bereitwilliger als seine Herrin. Die auf dem Weg zu Stall noch haderte, den Impuls verspürte, sich abzuwenden oder weiter zu gehen. Aber… Sie konnte es zumindest auf einen Versuch ankommen lassen. Und sei es nur des Einhorns wegen.
„Also kannst du… zaubern?“, fragte sie dabei, vielleicht vor allem, um sich von dem nervösen Gefühl in ihrem Magen abzulenken.

[Ishara trifft eine Entscheidung und macht sich mit Riketz auf den Weg zu Mari]
Do you...
Know who you are?
Understand, what happened to you?
Want to live this way?

Ishara Lileth Acedia

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Handelsstraße von Gil'Leading nach Shirga

Beitragvon Marijke » So 22. Feb 2015, 21:21

Für einen kurzen Moment wurde ihm sogar gewahr, dass er Ishana...verwirrt hatte? Bestürzt? Aufgewühlt? Es war ein Blinzeln seinerseits, wie diese weitere Erkenntnis in ihn sickerte. Aber auch mit dieser wusste er nicht so recht etwas anzufangen. Diese Art Reaktion kam auch viel seltener vor, als man glaubte. Normalerweise waren gerade Menschen entzückt egal was er sagte...sie nickten und lächelten selig -und das war es. Es gab auch diejenigen, die seine Worte oder Handlungen skeptisch beäugten oder mitleidig wohlwollend -wie man einen geistig Kranken anschaute, oder einen Ausländer, der in einer fremden Zunge redete. Man behandelte ihn mit Respekt, aber was er äußerte tangierte einem nicht wirklich. In seltenen Fällen versuchten seine Gegenüber zu ergründen, was er sagte. Und Ishara versuchte daraus klug zu werden und ihre eigene Interpretation zu finden -ohne ihm alles vollkommen zu glauben, was er sprach. Darum war er auch nicht wirklich damit vertraut, was seine Äußerungen anstellen konnte. Selbst wenn er es gewusst hätte, hätte er damit ebenso wenig anfangen können -weder Gefahr einschätzen, noch Nutzen daraus ziehen können. Er war kein Rhetoriker. Das Einhorn sprach gerne und viel; er liebte Diskussionen und Erörterungen -aber dabei verfolgte er nie das Ziel sein Gegenüber überzeugen zu müssen. Im Höchstfall war er darauf aus, auf eine weitere Perspektive zu deuten.

Und irgendwo traf sie auch einen wunden Punkt, als sie just diesen Aspekt nachhakte. Aber konnte man es ihr verdenken? Für ihn war das Unverständnis schmerzhaft -das er sich erklären musste. Nicht die Frage an sich -oder? Ganz sicher war er sich da nicht. Manchmal tat es einfach gut, einfach verstanden zu werden -einfach zu sein, wie er es aus seiner Jugend gewohnt war. Es war so eine..Krücke erst alles übersetzten und formulieren zu müssen. Das Einhorn liebte Sprachen und Dialekte, verschiedene Ausdrucksweisen und es war ihm ein liebes Spiel über verschiedene Bedeutungen eines Wortes nachzusinnieren -aber ab und an wollte er einfach nur sich verständigen und zwar genau so, wie er es kannte -mit allem was er zu bieten hatte. Mit den Sinne und Erinnerungen -mit seinen Gedanken. Nur leider waren nicht viele dazu fähig, dass zu erdulden. Riketz glaubte auch eine geistige Erschöpfung zu wittern an dem Waldkind. Oder war es generelle Erschöpfung der momentanen Umstände? Das Wetter machte selbst ihm zu schaffen und er bezog immerhin seine Energie ständig aus seiner Umgebung.

„Ja, sie sind gegangen...und es ist schwer zu erklären. Es war Zeit dazu, die Luft war zu eng -etwas anderes rief. Am ehesten ist es mit Zugvögeln vergleichbar. Eine innere Uhr tickt und irgendwann weißt du einfach, dass du deine Flügel ausbreiten musst und losfliegen. Du weißt nicht, wohin der innere Drang dich zieht, aber du weißt du musst gehen und die Strapazen eines sehr langen Weges auf dich nehmen. Und so ziehen die Vögel von dannen -jeder mit diesem Ruf in seinem Herzen. Und manchmal -manchmal sind einige Vögel dabei, die einen anderen Ruf gehört haben, oder den Ruf gar nicht vernehmen -und sie bleiben. Ich weiß nur nicht, ob ich eines der Vögel bin, das gerade zu fremden, wärmeren Gefilden fliegt -oder eines jener bin, die den Winter in ihrer Heimat überleben wollen. Am Ende ist es sicherlich auch egal -denn in beiden Fällen wird es wieder Frühling werden.“


Es war für seine Verhältnisse eine sehr klare Symbolik, ein sehr bildhafter, aber nachvollziehbarer Vergleich. Auch seine Intension dahinter war klar. Es gab kein „Warum“ -keine Schuldzuweisungen und auch keine Entschuldigungen. Das Leben war wie es war und in diesem Fall trauerte er weder seiner Familie nach, noch vermisste er sie. Es WAR einfach.

„Aber ich glaube, ich bin letzteres -denn viel von der Welt hab ich noch nicht gesehen -wobei ich natürlich noch hoffe, das zu ändern.“, gestand er dann, um damit ihre andere Frage zu beantworten. Dabei versuchte er sich vorzustellen, wie ein Land war, dass die meiste Zeit mit Schnee bedeckt war.

Es freute ihn ehrlich, dass sie beschloss mit ihm zu gehen. Da war ja auch noch die Sache mit der Frage und Hilfe, nicht wahr? Und Riketz ahnte, dass er Isharas Frage, die Frage, die ihr wirklich auf dem Herzen brannte und nach der sie ihr Leben ausrichtete, nicht beantworten konnte -aber es gab ihm Genugtuung, dass auch so etwas banales wie ein kurzzeitiges Dach über den Kopf ihr helfen würde zu ihrem Ziel zu gelangen.

„Wir sind auf den Weg.“
ließ er seine Partnerin wissen, die dies mit einem unmädchenhaften und abweisendem Grunzen zur Kenntnis nahm.

„Du bist eingeschlafen.“ stellte er fest und neckte Mari in Gedanken. „Mmh..“ kam als Antwort und lies das Einhorn gedanklich sehr amüsiert grinsen. Diese Fröhlichkeit strahlte er auch aus. Letztlich war ein Einhorn genauso launisch wie das Wetter, mit eben jenen unterschiedlichen und vielseitigen Facetten.

„Zaubern? ..wie der Taschenspielertrick? Nein...das kann ich nicht.“
meinte er leicht enttäuscht und versonnen. „Und alles andere....“, er hielt inne. „Nun...ja. Ich denke schon. Die Frage ist nicht ob ich es kann -die frage ist, ob ich mich erinnere, wie es geht.“ Das klang natürlich nach absolutem Nonsense, entsprach aber der Wahrheit.
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