von NPC » Do 26. Mär 2015, 08:48
Der Bursche
Da saß er also nun wie bestellt und nicht abgeholt. Und das war für den heutigen Tag auch nicht das erste Mal, dass ihm das passierte. Es hatte damit begonnen, dass der Bursche vergeblich den Morgen am Ende der Straße gestanden hatte, von wo er bequem zurück zum Wirtshaus schauen konnte. Wie jeden Morgen hatte er den bösartigen, hauseigenen Esel in einen kleinen Karren gespannt und zur besagten Kreuzung am Straßenend geführt um die Waren abzugreifen, die vorbeifahrende Fuhrwerke ihm reichen würden. Keiner der Händler, die mit ihren schweren Wagen auf den Weg zum Markt waren hätten auch nur im Traum daran gedacht in die kleinere Straße zu biegen um eine Handvoll mehr oder weniger minderwertige Lebensmittel an das verlodderte Gasthaus zu reichen. Aber beim Vorbeifahren einfach eine Kiste runterreichen und dafür blanke Münzen bekommen? Na, besser ging es doch nicht, richtig? Der Bursche wusste natürlich, dass einige dieser "klugen" Händler Kontaktmänner des Netzwerkes waren und hier nicht nur bereits schleimende Fische und matschiges Obst und Gemüse den Besitzer wechselten. Und so kaute er langsam an den Dutzend Äpfeln, die er ebenfalls jeden Tag hier mit her brachte und brüderlich mit seinem tierischen Leidensgenossen teilte.
Der Bursche hatte natürlich geahnt, dass der Zwerg und sein Liebchen nicht begriffen hatten, was er von ihnen gewollt hatte. Ihm war generell noch keine Kundschaft untergekommen, die noch mehr ungewollte Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte und noch weniger Ahnung hatte. Aber letztlich konnte es ihm ja egal sein. Er hatte nun ganz andere Probleme. Im Moment saß er hier neben einem Taubenverschlag und wartete auf Antwort. Antwort, von der er wusste, wie sie heißen würde -immerhin hatte er ja den Anstoß dazu gegeben.
Nachdem er mit seinem kleinen Karren zurück zum Gasthaus marschiert war, war er daraufhin fast sofort wieder rausgeworfen worden- es bestünde gerade kein Bedarf an „seinen Diensten“. DAS machte ihn dann stutzig. Die Wirtsleute waren nun wirklich nicht dafür bekannt ihr Arbeitspersonal zuvorkommend zu behandeln oder anders als minderwertiger Dreck. Und in seinen ganzen Jahren, die er hier gelebt hatte, hatte er nicht einmal eine Pause zwischendurch bekommen. Das brauchte man nun nicht falsch verstehen. Er war immerhin ein Krüppel und nur ein Bediensteter. Die Betonung von „seiner Dienste“ gefiel ihm auch nicht sonderlich. Und nun, wo sein Misstrauen geweckt wurde, bemerkte er auch andere Unstimmigkeiten. Nachdem er in der Nacht sein Anliegen an die Kunden getragen hatte, musste er das Wirtshaus verlassen um einige Dinge in die Wege zu leiten, die für ein etwaiges Treffen wichtig waren. Das wusste der Alte natürlich und hatte ihn mehr als eifrig aus der Tür geschoben gehabt und ihm sogar bevor er rausging einen halben Becher Ale in die Hand gedrückt, damit er „gestärkt“ durch die Nacht käme. Der Bursche hatte sich zu sehr in seine Entrüstung gesteigert, als dass er diese Geste als seltsam empfunden hätte. Jetzt im Nachhinein fiel sie ihm natürlich wieder ein. Ebenso, dass seit neustem zwei neue Dauergäste da waren, die sich ein Zimmer teilten, sich bedeckt hielten und ähnlich dem Burschen wohl Laufburschen von irgendjemandem waren. Ob der Bursche auch so ein selbstgefälliges Grinsen ab und an zur Schau trug und sich wie ein unverwundbarer Adliger durch die Welt bewegte?
Zusammen mit ein paar anderen Kleinigkeiten wusste er dann was los war. Die Wirtsleute versuchten sich an ihren eigenen Geschäften. Daran war nun absolut nichts verwunderliches: Er hätte nur gedacht, sie wären klüger gewesen, als den Schmugglern in den Weg kommen zu wollen. Sie wussten nicht, zu wem der Bursche die Leute brachte und wo der Schwarzmarkt war, oder was die Schmuggler damit zutun hatten. Der Bursche konnte es ihnen auch schlecht sagen (und würde das auch nicht tun) und mimte den unwissenden Krüppel, aber die Vorgehensweise die hier zum Tragen kam war schon auffällig seriös und durchdacht. Jeder Krüppel (Haha, Wortwitz) hätte sehen müssen, dass es hier nicht nur um irgendwelche Kleinkriminellen ging, die ein Stadtteil in ihren Händen hielten. Er hatte sich also mit Arbeiten im Stall beschäftigt, den Boden vor der Wirtstür mit Wasser geflutet um den Unrat weiter runterzuspülen und dann gemächlich mit diesem und jenem hantiert. So hatte er natürlich die Ankunft von Tali...Taloo...Tala-Wer auch immer mitbekommen. Selbst, wenn er den eingebildeten Schnösel nicht gesehen hätte, wäre sein Gaul auch nicht zu übersehen gewesen. Der Bursche hatte nicht mitbekommen, dass der Meuchelmörder noch einmal weggewesen war -jedoch hatte er durchaus erspäht, wie er in Begleitung des blinden Liebchens die Gans verließ. Als er Gedankenverloren den Beiden hinterher sah, kam er nicht umhin um sowohl Scham, Ärger, Ekel und auch Neid zu empfinden. Das blinde Krüppelkind war also doch der Bettwärmer des Zwerges und hatte sich anscheinend nun einen neuen Gönner angelacht. Das Kleid sah wirklich umwerfend aus und zusammen mit den nackten Füßen, der Blindheit und dem Hirtenstab strahlte das Mädchen eine unverfängliche Natürlichkeit aus, welches sie zu einer ziemlichen exotischen Erscheinung machte. Trotzdem kam dem Burschen eher die Galle hoch, wenn er daran dachte, wie erfolreich das Weib mit dieser Masche zu sein schien. Sie hatte anscheinend eine Technik gefunden um sich in der Welt zu behaupten, trotz ihrer Einschränkung -und das auf sehr kreative Art und Weise.
Es war Zeit, dass er selbst nun agierte. Lang genug hatte er es hinausgezögert und ständig innegehalten, dass er sich ja noch nicht sicher sei und seine Ahnung bestätigt werden müsste und -er machte sich nur etwas vor. Port Amun war unter der Oberfläche ein Sumpf an Egoismus und Gier, egal ob gutbetuchter Bürger, oder Abschaum. Und es war die Natürlichkeit der Umgebung, dass auch die Goldene Gans ihren Teil dabei haben wollte. Um ehrlich zu sein, hatte der Bursche einfach Angst den nächsten Schritt zu tun. So war er also wieder in den Stall gegangen, hatte den Esel wieder eingespannt und ihn dieses Mal mit Fässern voll Knochen und groben Essensresten in Form von Ziegen- und Hühnerkadavern beladen. Zwei Straßen weiter kaufte Schinder Filke diesen Unrat für ein paar Münzen ab. Da die Gans vom Umgang auch nicht weiter unten war, als der Umgang mit einem Schinder, die Münzen gleich auf die Hand gezählt wurden und natürlich auch nicht die Wirtsleute diese Arbeit verrichteten, war es also zu einem Habit geworden, dass der Bursche in regelmässigen Abständen den Esel zu Filke zerrte.
Und hier saß er nun. Bei Filke dem Schinder. Filke, der gar kein richtiger Schinder war, sondern nur eine der zahllosen Sammelstellen darstellte, zu der aller Art Kadaver gebracht wurden, ehe diese dann später zu einem Hof außerhalb der Stadt gefahren werden. Filke, der eine Taubenzucht hat, denn mit seinem Stand konnte er kaum zum Markt gehen und sich ein Huhn zu essen kaufen und Tauben waren billiger in der Unterhaltung. Kurz nachdem der Bursche bei Filke eingekehrt war, lies dieser „zufällig“ die Tauben raus und einer dieser Tauben trug in einer kleinen Lederphiole einen Fetzen roten und gelben Stoffes, einen kleinen zusammengerollten Papiervogel und eine kleine Nachricht.
Ja, und hier, bei Filke saß der Bursche immer noch und wartete mit kranken Herzpochen und Angstschweiß im Nacken auf die Antwort, die kommen würde. Nein, Gernud und Rosalind wussten nicht, worauf sie sich eingelassen hatten und wessen Ärger sie auf sich zogen. Nicht einmal der Bursche wusste dieses Netzwerk zu überblicken, wobei er eine Ahnung hatte. Es war so effektiv und weitläufig und so ernst. Und wie man sich so seine Gedanken machte, wenn man mit einem Male einen neuen Kontaktmann bekam und bei näheren Herumschnüffeln herausfinden musste, dass der Vorgänger hier nie gelebt hatte, nie gesehen worden war – egal wie viele Jahre er hier in Port Amun gelebt hatte! Darum war es auch kein Boswillen, warum der Bursche seine Nachricht abschickte. Obwohl er um die Konsequenzen wusste. Aber so war die Welt: Jeder mit dem Hintern erst zur Wand. Und er brauchte sich auch keine Illusionen machen; als Krüppel würde er sich immer glücklich schätzen können, wenn er niederere Arbeiten zugetragen bekam um überhaupt was essen zu können. Und seine jetzige Arbeit bot ihm sogar noch Wissen, ein wenig Macht und wenigstens gedanklich Überlegenheit, denn er war ein Zahnrädchen in einer großen Kette.
Sehr bleich und beinahe zitternd und ohne Wagen und Esel verließ er schließlich den Schinder Sein Weg führte ihn nicht zurück zum Wirtshaus. Nein, er schlurfte weiter und kramte in einer Tasche herum. Wieder eine Straße weiter rannte er „zufällig“ in einen bestimmten Pastetenverkäufer. Und ja, der Bursche „gönnte“ sich eine Pastete. Essen und Geld wechselten ihren Besitzer. Damit war sein Werk getan und dem Burschen überkam Unwohlsein. Kotzübel war ihm und der penetrante Geruch der derb gefüllten Pastete in seiner gesunden Hand verstärkte das Gefühl nur noch. Dabei hatte er gar keinen Grund Mitleid zu haben oder Bedauern. Wenigstens der Esel war aus der Schusslinie. Der Bursche würde ihn später bei Filk abholen, wenn er dazu Zeit hatte.
Der Bursche beobachtete noch, wie eine bestimmte Patrouille der Stadtwache zum selben Pastetenverkäufer ging um sich dort ihren täglichen Imbiss zu holen. Zusammen mit ihrem Essen bekamen sie auch noch einen Zettel zugespielt, den „ein anonymer Informant“ häufig auf diese Art und Weise der Wache übergab um auf brisante Geschäfte innerhalb der Stadt aufmerksam zu machen. Des Burschen Arbeitgeber stellten auch sicher, dass diese Informationen wirklich zu kleineren Dilettanten führten, die man abführen konnte. Somit hatten die Soldaten natürlich keinerlei Anlass auch diesen neuen Informationen zu misstrauen. Was für Hohlköpfe, befand der Bursche. Sie allesamt..alles nur Idioten. Auf dem unscheinbaren Zettel standen nur zwei Worte: „Goldene Gans; Schwarzmarkt.“
Er hingegen tauchte in die Menschenmenge unter und würde sich einen gutbelebten Ort suchen, wo er eine Szene veranstalten konnten, damit ganz viele Leute ihn ganz sicher sahen und an ihn erinnerten, wenn man zufällig fragen würde, wo er nun den Rest des Tages verbracht hatte.
[wartet am Morgen vergeblich| bekommt mit, dass die Wirtsleute ihre eigenen Geschäfte machen| meldet dies und verkrümelt sich dann| hat am Morgen weder Lianna bei ihrer Suche nah dem Stillen Örtchen gesehen und hatte bereits die Gans verlassen, ehe sowohl Talibor und Lianna zurückkamen und Barthi die Gans verließ] (Tene)