von Acalanthis Clementia » So 29. Mär 2015, 17:37
Im Nieselregen versuchte Acalanthis Clementia verbissen irgendetwas essbares für ihren neune Freund das Waldkäuzchen zu suchen, doch bei diesem Wetter schienen die Zahl von Käfern, Zikaden, Grillen und Heuschrecken quasi auf null abgenommen zu haben, während die Anzahl der Regenwürmer und Frösche rasant anstieg.
Einst hatte sie in einem Buch gelesen, das läge an der Abiogenese, welche eine Generatio spontanea (Spontanzeugung) dieser Tiere aus Nässe und Matsch bewirke. Nach Acalanthis Auffassung eine interessante Theorie, die sich zu bestätigen schien, denn so viele Regenwürmer gab es bei Sonnenschein ja nicht, und es war ein Leichtes, sie vom Boden aufzulesen.
Merkwürdige Tiere waren das, vor allem schienen sie keinerlei Geschlechtsmerkmale zu haben.
Auch ein zwei Frösche hüpften herum.
Doch diese waren viel zu flink, um sich von Acalanthis fangen zu lassen. Ob diese auch durch Spontanzeugung auf diese Welt kamen?
Dass Läuse aus Schweiß entstanden, war einleuchtend. Diese widerliche Plage befiel unsaubere Gestalten und Kinder zuerst. Und dass Maden aus faulendem Fleisch und Käse entstanden, war auch klar.
Bei Mäusen welche aus weiterem Unrat entstehen sollten, war sich Acalanthis wiederum unsicher.
Sie hatte einst ein Mäusenest in einem alten Schuh entdeckt, und dabei gesehen, dass die Muttermaus die kleinen nackten Mäuschen säugte. Wie sie aus ihr herausgekommen waren, oder ob sie gar eine Hebamme gebraucht hatte, hatte sie nicht feststellen können.
Die Tatsache allein und ihr Wissen als Hebamme, ließ sie das Wissen aus dem Buch anzweifeln, jedenfalls für alle Lebewesen die vorher einen dicken Bauch hatten und dann ihre Jungen säugten und sich durch ihr Geschlecht klar unterscheiden ließen.
Als Hebamme wusste Aca natürlich, dass beim Menschen dem Gebären neuen Lebens Monate von heftigen Gefühlen vorangegangen waren, sei es nun Liebe oder Streit gewesen, und dass dann der Geist des Mannes den der Frau bezwang. Wie die Frau den Geist verschluckte, war nicht beschrieben. Doch sicherlich hatte es etwas damit zu tun, dass Männer gerne ihre Geschlechtsmerkmale in das hineinstreckten, wo die Kinder später herauskamen.
Ob es auch ohne ging?
Acalanthis war sich sicher, dass Männer etwas damit zu tun hatten, dass es Kinder gab, was man manchmal auch an den Kindern sah.
Es gab Babys, die sahen ihrem Vater sehr ähnlich.
Dann wiederum gab es Babys bei denen der Geist der Mutter stärker gewesen war. So dass man an dem Kinde ganz klar Merkmale feststellen konnte, die sie auch hatte.
In einigen wenigen Fällen, sah das Kind weder aus, wie der Vater, noch wie die Mutter. Es war von Feen gebracht worden, und handelte sich um ein Wechselbalg.
Als das Käuzchen sich nah an ihrem Herzen bewegte, trauerte sie ein wenig aufgrund ihrer eigenen Kinderlosigkeit. War es deswegen gewesen, dass sich nie ein Mann nah genug an sie herangetraut hatte, aus Angst sie würde ihn verhexen?
Sie hätte gerne jemanden gehabt, an den sie ihr Wissen weitergeben und mit dem sie strittige Theorien diskutieren konnte. Doch so etwas war ihr nie vergönnt gewesen, und wenn es ein Kind gewesen wäre, dass ihr die Feen überlassen hatten, weil es einen Makel hatte, das wäre ihr egal gewesen.
Wenn es nur bei Verstand wäre.
Nun war es zu spät, sie hatte von niemandem in ihrem Alter gehört, der noch ein Kind hatte. Wenn sie ehrlich war, hatte sie von niemandem gehört der überhaupt so alt geworden war, wie sie selbst.
Als wieder ein Frosch über ihren Schnürschuh hüpfte, versuchte sie ihn zu fangen, was allerdings misslang. Sie atmete kurz und heftig, aufgrund der ungewöhnlich schnellen Bewegung und bückte sich erneut nach dem Frosch, der ihr leider davon sprang.
Sie setzte ihm nach, packte schnell zu und erwischte jede Menge Gras. Doch da sie neugierig schauen wollte, OB sie ihn erwischt hatte, entwischte er ihr, als sie ihre Hände ein kleines Stückchen öffnete um hineinzusehen.
Der Frosch, die Gedanken um Kinder und der kleine Strix beschäftigten die alte Frau so sehr, dass sie vergaß die Umgebung nach Gefahren abzusuchen. So entdeckte sie die Kontur der weißen Gestalt und des weißen Pferdes erst, als sie vor ihr auftauchten.
Es gab viele Rittersleut die ihrem Pferd ein gar Prächtiges Zaumzeug anfertigen ließen, die ihre Silhouette wie ein Einhorn wirken ließen.
Doch als die beiden Geschöpfe näher kamen, erkannte die Kräutersammlerin, dass es sich bei diesem Wesen tatsächlich um ein Einhorn handelte.
Es war von solch überwältigendem Weiß, dass alle anderen Farben, die die Natur hervorbrachte dahinter zurückstehen mussten. Selbst frischgefallener Schnee in der Morgensonne leuchtete nicht so erhaben.
In ihrem langen Leben hatte sie noch nie eines der mächtigen Wesen aus solch einer Nähe gesehen.
Sie war wirklich beeindruckt bis der Mann anfing zu sprechen.
Ihr erst erstauntes und erfreutes Gesicht, wich einem Stirnrunzeln.
"Fluchen? Und was für Toren meint ihr? Was erlaubt ihr euch.."
haspelte sie, und schaute ihn verwirrt und ein wenig beleidigt an.
Er war jünger als sie, und doch konnte sie ihm die Erfahrung und Weisheit, die er ausstrahlte nicht absprechen.
Seine weichen Gesichtszüge sahen recht freundlich aus. Und er schien von positivem Gemüte zu sein, was man an den Lachfalten um seine stahlblauen Augen erkennen konnte.
Die ehrwürdige Haltung, die er an den Tag legte, zeugte davon, dass er wahrscheinlich von hohem Rang war, und die Leute zu ihm aufblickten. Doch warum unterhielt er sich dann mit ihr? Trotz des scheinbar hohen Ranges war er scheinbar doch kein aufgeblasener Adliger, welcher sich nur fürs Saufen und die Jagd interessierte.
Doch auch wenn Aca diese gesamten Vorzüge seiner Erscheinung durchaus bemerkte, war sie viel zu verwirrt um ein freundliches Gesicht zu machen.
Sie war sicherlich kein Tor, dieses Jüngelchen auf dem Einhorn dachte von sich wohl, er wäre der aller größte.
Die Ältere war ganz klar sie.
Ärger stieg in ihr auf. Ärger auf alle Männer, denn sie hatte in ihrem ganzen Leben nie einen freundlichen getroffen.
Ja gut, sie hatte es auch nicht wirklich darauf angelegt, einen freundlichen , höflichen Mann zu treffen.
Und besonders nett war sie auch zu keinem gewesen, auch wenn sie natürlich half, wenn jemand krank oder verletzt war, oder gebären sollte.
Männer waren besonders bei letzterem IMMER im Wege. Teilweise führten sie sich so auf, als würden sie das Kind bekommen.
Ihr verwirrter Gesichtsausdruck wich einem abschätzenden Blick und gewann ein wenig an Härte und Taffness.
Die ihr jedoch recht gut stand.
Obwohl seine Erscheinung auf dem mystischen Tier auf jeden Fall Ehrfurcht erbietend wirkte, würde sie sich von dem Mann nicht einschüchtern lassen. Sie hatte keine Furcht.
Niemals und auf keinen Fall würde sie sich von jemandem beleidigen lassen, auch nicht wenn er ein Einhorn an seiner Seite hatte.
Der kleine Strix steckte sein Köpfchen aus dem weichen Leder hervor und schaute aus Acalanthis Überwurf.
"U-wiee" gurrte das Tier. Der Ruf klang sehr weich und war nicht weitläufig zu hören. Es war fast so, als würde er die beiden ankommenden Wesen liebevoll begrüßen.
Acas Blick fiel nach unten zu dem Käuzchen an ihrer Brust. Ein Einhorn gab sich mit diesem Menschen ab, und der Waldkauz schien auch nicht gegen ihn zu haben.
Kurz musterte sie den Fremden, dann schlug sie ein wenig von ihrem Wildledermantel zur Seite, vorsichtig, so dass der Kauz nicht aus seinem Tuch purzelte.
Sie griff an die Seite nach ihrem Hörrohr, dessen Lederriemen sie vorsichtig am neugierigen Käuzchen vorbei von ihrem Hals nahm.
Dann setzte sie das Rohr an ihr rechtes Ohr und beugte sich ein wenig vor, um den Mann auf dem Einhorn etwas besser zu verstehen.
Er konnte sie doch nicht wirklich einen Toren geheißen haben? Nein?
"Mein Name ist Acalanthis Clementia. Mit wem beliebe ich zu sprechen?"
[Aca versucht Frösche zu fangen und trifft ein Einhorn und einen Mann, der sie scheinbar beleidigen möchte]
Man sollte einfach danach streben,
zu allen gleich unfreundlich zu sein.
("Die Känguru-Offenbarung" von Marc-Uwe Kling)