von Anuka » Fr 31. Okt 2014, 23:51
Ihr Herz pocherte ungewöhnlich laut und sie war felsenfest davon überzeugt, dass alles und jeder sie anstarrte und ebenso hörte! Ihre Brüder hatten wahrscheinlich recht...es gab einen Grund, warum sie die Rangniedrigste unter den Welpen war und es beschlich sie das Gefühl, dass dieser Grund Feigheit und Angst sein könnte. Den Wölfen war die natürliche Rangfolge der Welt bewusst. Nicht der Wolf war das starke, selbstbewusste und überlebensfähige Individuum -sondern das Rudel. Nicht der Wolf stand ganz oben an der Nahrrungskette, wenn auch nicht an letzter Stelle, und mit diesem Wissen war auch Anuka erzogen worden. Und genau in diesem Moment, zwischen den nächtlichen Stämmen und dem kalten, nun abweisend wirkendem Mondlicht, welches sich nicht dazu herablies, zwischen den Kronen herunter zu scheinen -genau jetzt und hier, fühlte sie sich einfach klein und unbedeutend und so unendlich verloren. Unschlüssige Starre befiel die junge Wölfin und sich auf ihre Hinterkeulen kauernd starrte sie unfokusiert in das Buschdickicht vor ihr. Anuka kannte diesen Platz hier -natürlich kannte sie den Wald um sie herum. Das war immerhin das Gebiet ihres Rudels. Sie erinnerte sich, wie sie manches Mal hier gesessen, oder dort drüben unter dem Hunds-Rosenbusch gelegen und durch die Dornen, Hagebutten und Blätter hinauf in die Luft geschaut. Allerlei Geschichten hatte sie sich ausgedacht aus den abstrakten Wesen, die sie in das wirre Blätterwerk hinein interpretiert hatte. Und genau als solches -wirre, unförmige, abstrakte Wesen- sah sie in den schattenhaften Umrissen des nächtlichen Unterholzes. Wölfe waren nun nicht auf ihre Augen angewiesen und nahmen es nur als sekundäre Reizquelle zur Kenntnis, weswegen ihr ihre vorhergehenden kindlichen Spiele nie groß Angst gemacht hatten -wozu auch? Ihre Nase und auch ihre Ohren waren verlässlich und sie hatte immer „vor Augen“ gehabt, dass ihre Gedankenspinnerein eben genau das waren: Spinnerein. Jetzt und hier war sie sich da nicht sicher. Der Dämon, der das Rudel in Panik ausbrechen gelassen hatte, hatte nicht ungewöhnlich gerochen. Aber das Unbekannte meldete sich seltenst vorher mit subtilen Anzeichen an...sonst wäre es ja schließlich nicht unbekannt.
Das kurze nachdenkliche Herumhocken half ihr wieder ruhiger zu werden, oder einfach nur passiver. Stillsitzen war nie eine Stärke von ihr und somit fing sie einfach an wieder langsam los zu laufen und ausgiebig ihre Gegend auszuwittern. Die nächtliche Dichte hatte noch einen Effekt, als nur unförmige Verzerrungen -sie machte quasi unsichtbar und schützte einen. Anuka fühlte sich also sicherer; auch wenn das rein logisch betrachtet Blödsinn war, aber darüber sollte sie sich vielleicht nicht näher mit beschäftigen. Letztlich war sie es gewohnt alleine herumzustreunern in einem gewissen Radius und in ihrer jugendlichen Naivität hatte sie bisher nie groß Obacht geben müssen und auch keinerlei Erfahrung ihr gelehrt diese walten zu lassen. Außerdem war es einfacher diesen Streifzug als weitere nächtliche Erkundungstour zu sehen, als sich daran zu erinnern, warum sie eigentlich los gegangen war. Letztlich musste sie daran auch nicht denken, denn sie stieß von alleine darauf. Nun ja, nicht ganz -aber sie nahm eine fremde Witterung auf, die einerseits fremd und unbekannt, aber nicht SO unbekannt. Ihre Ohren zuckten unruhig. Die Wölfin laß abermals an den Spuren... Männlicher Suavis, ausgewachsen, schwach. Normalerweise konnte sie mehr aus einer Fährte ziehen, aber sie war sich nicht ganz sicher mit dem Alter. Das konnte an vielerlei liegen. Einerseits war das Prankensiegel größer, als sie bisher bei einem Suavis gesehen hatte und auch der Geschmack, den sie aufnahm, als sie die Duftstoffe mit geöffnetem Maul versuchte gründlicher zu analysieren, waren...staubiger...anders. Sie konnte es nicht zu ordnen Was sie jedoch zu ordnen konnte: Schwach hieß nicht schwach. Erstaunlicherweise war Anuka sehr wissenschaftlich an ihre Entdeckung gegangen. Hatte mehrere Spuren gesichtet und erkundet -war jedoch nicht weiter vorgedrungen und der Fährte gefolgt; sie hatte in logischer Abfolge die Fakten gesammelt und interpretiert -ihre Angst und Panik von vorhin kam jetzt erst wieder. Denn wie schon erwähnt: Schwach hieß nicht schwach. Ein schwacher Wolf verzieht sich an einen Ort, der von drei Seiten gut geschützt ist...Eine Katze zieht sich auf Bäume zurück. Wieder pocherte ihr Herz.
Unsicher stierte sie in die dunkle Nacht und erkundete unwohl die Baumkronen. Suavi waren nun nicht DIE unbekannte Komponente schlechthin...aber da Wölfe eher selten mit Gefahr von Oben rechnen und auch sehr selten nach oben schauen war ein Angriff aus den Baumkronen heraus genauso lebensbedrohlich, wie der Dämon. Und da war ja noch die Sache, dass dieser Suavis recht groß zu sein schien und verletzt oder schwach...und sie war schlacksig, dürr, jung, unerfahren -und ohne Rudel! Sie war schutzlos. Und durchaus eine recht leichte Beute, wenn der unbekannte, geschwächte Gegner sie ins Visier bekam. „Bleib ruhig! Denk nach!“, versuchte sie ihr Rauschendes Blut zu besänftigen...Die Spur war mindestens ein paar Stunden alt. Die Chancen, dass die Katze sich genau hier auf einen Baum verborgen hatte waren daher gering. Es war ein großer Suavis -also brauchte er auch einen dementsprechend robusten Stamm, den er als Lager nutzen konnte UND die Fährte ging weiter; sie hatte sie nur nicht weiter verfolgt. Gut..und nun? Ratlosigkeit. Ein Suavis konnte besser sehen in der Nacht als sie, jedoch konnte sie bei weitem besser hören und wittern. Normalerweise mieden sich die Gruppen, nur die Hitzköpfe, die Verrückten und Verzweifelten suchten die Herausforderung der jeweils anderen Rasse -oder eben, wenn sich eine günstige Gelegenheit ergab. Wieder stand sie vor einer Entscheidung...Weitergehen? Umkehren? Sie dachte daran zum Rüdel zurückzukehren und Bescheid zu geben. Sah vor sich, wie sie den Anderen sagte, was sie entdeckt hatte..und die Fragen, die man ihr stellen würde. „Und wo ist der Suavis?“, „Wie nah ist er dem Rudel?“, „War er definitiv alleine?“. Auf all diese Sachen wusste sie keine Antwort und mit Scham dachte sie daran, dass sie wohl wirklich ein Feigling war, wenn sie ohne irgendwelche Informationen umkehren wollte. Gedanklich gescholten gab sie sich einen Ruck und verfolgte die Spur vorsichtig weiter, die sie alsbald wieder aus den Teil des Waldes hinaus ins offene Grasland brachte und dann doch wieder in den Wald. Zwischendruch fragte sie sich, ob die Katze dumm, gelangweilt, oder orientierungslos war. Ja, regelrechte Verärgerung stieg in ihr auf und offenbarte, wie unerfahren jung sie doch eigentlich war, denn den Ernst der Situation nahm sie schon seit längerem nicht mehr wahr.
Einmal war sie so konzentriert an der Witterung dran, dass sie in die gleiche Absenkung fiel, wie wohl der Suavis vor ihr. Peinlicherweise quietschte sie sogar auf und sprang hastig aus der Suhle und schüttelte sich perplex den Staub aus den Pelz. Nun war sie wirklich verärgert. Das Katzenvieh musste doch schlafwandeln! Wie konnte man so unkontrolliert durch die Gegend laufen!? Auch lief die Katze immer durch die offensten Schneisen, statt sich der Wildtritte zu bedienen. Anuka kam sich so nackt vor und der kalte Sternenhimmel über ihr kam ihr unbehaglich vor auf ihren Pelz...
Sie fand die Schlafstatt der Katze und schüttelte abermals den Kopf. Ein Mensch könnte sich wahrscheinlich nicht unbeholfener durch einen Wald bewegen! Auch das intensive Spurenlesen gab die Wölfin auf...Es war sehr offensichtlich wohin die Katze gelaufen war, denn vielerlei Spuren, umgeknickte Halme, Haarbüschel, Trittsiegel, waren zu sehen.
Und dann stand sie einfach vor ihm...einfach so. Ganz verwirrt schnippte sie mit einem Ohr, witterte den süßlichen Geruch von Verwesung, Blut, Fleisch und Innereien; witterte die Krähen, Elstern und Raben...Soviel zu: Auf ihre Sinne ist Verlass...Nur dumm, wenn sie den bereits vorher gewitterten Blutgeruch für Einbildung durch ihren Hunger gehalten hatte!
Und mitten vor ihr stand die Katze...Blutbeschmiert, ausgezerrt und genüßlich schmatzend und Knochen brechend. Wie gute Kumpel hockten die Raben und Krähen um und auf ihm und ließen sich das Mahl genauso gut schmecken, wie der Fremdling. Und Anuka? Anuka war komplett versteinert und einfach...kopfleer. Sie war da wo sie von Anfang an hin wollte. Und ja, es gab sekundäre Verwerter, die sie eigentlich spielend leicht vertreiben könnte. Zwischen dem großen Suavis und ihr lag die Lichtung und der Kadaver, sie selbst stand noch unter dem Schatten der Baumkrone und haderte über ihre nächste Entscheidung. Rennen klang gut..aber andererseits hatte sie verdammt Hunger und dank diesem Trottel dort hatte sie eh schon eine Stunde Kreise im Wald getreten! Und verdammt nochmal: Das war immerhin IHRE Beute! Oder?
[Sorry für wall of text..Zusammenfassung: Anuka findet Krolons Spur, folgt ihr und steht nun vor ihm]