von Marijke » Mo 23. Mär 2015, 02:20
Die Kälte kroch abermals unter Fell, Muskeln, Fleisch hinein in Knochen. Zuerst war es wie eine warme Decke gewesen, schmierig und nass, aber gleichzeitig bedeckend und alternativ zu einer neuen Haut. Ebenso war es seine eigene massive Körperhitze, die das Einhorn ausstrahlte und welche die Erfahrung eine Schicht Schlamm über seinen Leib gesponnen zu haben anfangs interessant gestaltete. Bis eben oben genannte Kälte sich durchgefressen hatte und ihn innerlich, wie äußerlich erschauern lies. An und für sich, war es also wirklich keine gute Idee gewesen, aber immerhin…eine Erfahrung wert, oder? Außerdem war es äußerst interessant seine Begleitung zu beobachten. Eine Weile hatte ihn Isharas Worte beschäftigt und auch Ruhe zurück in die kurzzeitige Verwirrung gebracht. Sie hatte Recht und Riketz schöpfte sein Allvertrauen sowohl aus den Worten Isharas, die sich mit seinen eigenen Erkenntnissen deckten, auch wenn er sie nicht in Worte hatte fassen können; und ebenso aus der relativen Natürlichkeit ihres Verhaltens. Es war das eine ein Einhorn faszinierend zu finden; es war auch eine Einstellung ein Einhorn nicht zu hinterfragen ; auch kannte Riketz es, wenn man ihm seine manche Male seltsam anmutenden Handlungen vor Augen hielt - gerade letzteres war Mari's Part. Nein, Ishara tat nichts dergleichen. Sie schien neugierig und teilweise gefesselt durch seine Aktionen; aber es war weder stoische Verehrung und der Glaube daran, dass ein Einhorn unfehlbar war -es war auch keine Skepsis, oder abwedeln, was er tat oder nicht tat. Das Waldkind setzte sich einfach zu ihm, wie lächerlich es auch sein mochte im Schlamm zu hocken, und machte sich damit ein eigenes Bild davon, nachdem sie ihn erst einmal etwas verwirrt gefragt hatte, warum er das tat,. Nun ja, sie würde wohl die gleiche Erkenntnis bezüglich der Kälte erlangen...ob sie es als „Erfahrungswert“ hielt, war jedoch arg zweifelhaft. Aber soweit kam es gar nicht.
Das Einhorn spürte nichts seltsames und sah auch nichts. Was auch immer Ishara dort in den Händen hielt war für das magische Wesen nichts besonderes. Hätte er länger darüber nachgedacht, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass auch dieses Etwas mehr intuitiv zum Weltgefüge passte und weniger das Gefühl eines gefertigten Gegenstandes vermittelte -aber er dachte darüber nicht nach und da es weder „falsche“ Magie, noch eine Gefahr war, nahmen seine Instinkte es als gegeben hin und grübelten nicht. Worüber er jedoch grübelte...nein, er schmunzelte: Riketz schmunzelte tief amüsiert darüber, wie das Waldkind um ihn herum lief und scheinbar auf ihr Wertstück herum schimpfte. Dabei hatte sie einen ratlosen, leicht verärgerten Gesichtsausdruck. Es animierte Riketz jedenfalls dazu sich wieder aufzuraffen. Dass ihm kalt war, hatte er ja bereits festgestellt und es wäre eigentlich auch nett dagegen etwas zutun -wie eben: Aufstehen!
Mari indessen tat sich mit genau dieser Tätigkeit schwer. Die Sidhe war weder ein Morgenmuffel, noch schob sie schlechte Laune beim Tagesbeginn. Was sie jedoch absolut nicht ab konnte: Harte, unbequeme Böden; der durchdringende Gestank nach mumifizierten Schafskötel, neben dem Geruch von dampfiger, nassen Kleidung und natürlich verdammt kalte Luft, die ungehindert durch ihre Kleidung zog und ihrem Untermantel, den sie zu einer Decke umfunktioniert hatte. Das war dann wirklich ein Stimmungskiller und wenn sie die Umstände lang genug ignorierte, könnte sie sich ja wenigstens noch eine Weile einbilden, sie schliefe auf einem solidem Bett..
Als sie sich dann letztlich eingestand, dass sie wach war und der Tag nur besser werden konnte, zog sie die Decke mit einem unwirschen Ruck von sich und sprang beinahe auf. Für jeden Außenstehenden mochte die nun hereinbrechende Aktivität wie das fleißige Hantieren einer Biene vorkommen - wer Mari kannte, wusste jedoch, dass sie ihre Laune damit kompensierte. Da wurde ihre Decke ausgeschüttelt, die nasse Kleidung kontrolliert und die Restnässe mit etwas magischer Nachhilfe herausgetrieben; danach räumte sie sowohl die Lampen weg, wie ihre Sachen zusammen. Nun war ihre eigene Kleidung zwar relativ glatt gestrichen worden und ihre Haare zu einem ordentlichem strengen Knoten zusammengebunden, aber ihr Gesicht sah immer noch schlafgeknautscht aus und neben verkniffenen Mund, hatte sie ihre Augen noch halb geschlossen und rieb sich ab und an gedankenverloren die Schläfen. Ein Blick in den gestrigen Wassertrog genügte, um sie davon abzubringen sich mit diesem zu waschen. Kein Wunder, dass Riketz daraus nicht hatte trinken wollen! Wobei es wohl mehr eine Sinnestäuschung war, befand sie. Das Wasser sah tief grau-braun aus und schlackig. Ein Umstand, der doch zur Hälfte von dem abgenutzten und von Modder-befreitem Trog selbst kam und scheinbar nicht vom behelfsmässigem Bad der Fremden. Das mochte mal ein schönes solides Handwerk aus Holz gewesen sein. Aber wer auch immer sich dafür entschieden hatte, hatte sich für eine kurzweilige Lösung entschieden und definitiv nicht die Sorgfalt aufgebracht, die ein Holztrog gebraucht hätte. Somit hatte sich das Holz in der Nacht Stück für Stück weiter aufgelöst im Wasser, wo nun Moos und Schleim abgetragen worden waren. Ziemliche Sauerei und unappetitlich.
Aber Mari besaß ein wenig Weitsicht und hatte noch einen Eimer mit Regenwasser. Zwar war auch hier der Holzeimer eins geworden mit seinem Inhalt, aber im normalen Rahmen und es reichte für eine gründliche Katzenwäsche. Jetzt, wo sie sich halbwegs menschlich vorkam, wanderten ihre Gedanken zeitlich weiter. Dabei blieb sie in der pragmatischen Schiene und jedenfalls für den Moment fielen keine Tagträume an. Es ging ihr um Dinge wie ihren Proviant, die Straßenverhältnisse, markante Wegweiser etc. Über kurz oder lang kamen ihre Gedanken auch auf die Fremde zurück. Mari hatte nun im Licht des Tages ein wenig Skepsis, was sie am Vorabend versucht hatte. Vermittlung von Wissen mochte immer hilfreich sein -aber falsch angewandtes, und halbes Wissen war äußerst gefährlich. Selbst die daraus geborenen Ideen können verheerend sein. Nun, ändern lies es sich nicht mehr. Es war auch nicht das erste Mal, dass Riketz irgendwen oder irgendetwas anschleppte - wobei es eine wirkliche Verbesserung darstellte, dass es sich dieses Mal um etwas handelte, mit dem man auch wirklich kommunizieren könnte...theoretisch. Das ungute Gefühl, sowie die die leichte Abneigung war da wohl aber eher das Resultat der peinlichen Situation zuvor -soviel gestand sich die Sidhe mittlerweile auch ein. Nichtsdestotrotz....wohin auch immer ihre Gedanken gehen wollten, sie wurden unterbrochen, als der riesige Hund sich aufsetzte und mit beängstigender Ernsthaftigkeit nach draußen trabte. Mari hatte das Tier weitestgehend ignoriert und ihre Befangenheit versucht damit auszugleichen, dass sie ruhig und gesittet um den Hund herum hantierte, während sie den Raum in wohl besseren Zustand versetzt hatte, als sie ihn betreten hatte. Als der Canide aber mit solcher Zielstrebigkeit nach draußen strebte, kam die Sidhe nicht umhin einen Schauer über ihren Rücken zu spüren. Riketz hatte recht gehabt mit seinem Benehmen. Irgendwas war an der Fremden! Denn dieser Hund da war definitiv gerufen worden und zwar nicht davon, dass er dringend pinkeln müsste! Diese Erkenntnis kam überraschend und verwirrte die Sidhe. Es war nicht so, dass man als Sidhe irgendwelches Viehzeug anlocken könnte. Natürlich könnte sie ihre Magie nutzen und die Umgebung etwas verändern, dass es für einige Tiere vielleicht einladender war da nun zu erscheinen. Sie könnte eventuell auch ihre Aura so unterdrücken, dass sie keine Gefahr für ein Tier darstellte, oder ihre Aura dahingehend verstärken, sodass sie innere Stärke und Ruhe ausstrahlte. Aber sie konnte verdammt nochmal nicht irgendwelche Straßenköter zu sich rufen! Und zwar aus dem Schlaf und so mehr oder minder direkt, dass das Tier ohne Umschweife reagierte.
Es hätte ihr wohl auch nichts genutzt, wenn sie wüsste das Cyron wohl nur zur Hälfte auf das elbische Erbe seiner Herrin reagierte und zur anderen Hälfte aus reinem Rudelinstinkt handelte. Riketz hätte es ihr vielleicht erklären können, wenn sie ihn gefragt hätte. Das Band innerhalb eines Rudels mochte auch für einen Menschen manchmal an Magie grenzen hatte ab er nur bedingt damit etwas zutun. Und letztlich war es auch egal, denn die Seltsamkeit Isharas nahm für Mari so oder so zu. Etwas verdutzt folgte sie dem Hund nach einigen Sekunden Starre nach draußen, nur um abermals stehen zu bleiben und ratlos dreinzuschauen. Nun, sie wäre aber auch nicht, wer sie wäre, wenn sie sich nicht innerhalb kürzester Zeit gefangen hätte. Ja, es war wirklich etwas eigenartig, wenn da eine zierliche Halbstarke stand, Bogen zum Angriff bereit, mit unbewegter Miene und in den Nebel starrend; ein riesiger Hund daneben, der genauso wachsam war. Eigentlich hätte es auch grotesk und surreal wirken müssen. Ishara war definitiv keine gefährlich wirkende Person und auch die Souveränität, die sie gerade an den Tag legte, schien etwas Verzweifeltes an sich zu haben. Oder Marijke konnte nichts ernst nehmen, was neben einem schlammbesudeltem Pferd mit Horn auf der Stirn stand. Verärgerung stieg in ihr empor. Sowohl für den Kindskopf an Einhorn, wie an dieses halbe Kind, was großer Krieger spielen wollte. Verärgerung, die sich nicht darin äußerte, dass sie sich darüber beschwerte oder bissige Bemerkungen von sich gab. Nein, die Sidhe starrte ihrerseits in den Nebel und trat dann neben ihren Partner und unweit zu Ishara samt Hund.
„Guten Morgen.“, äußerte sie in neutralem Ton. Es war ein einfacher Kommentar, ohne viel Inhalt.
„Weißt du, worauf der Spruch 'eine zweifelsfreie Meile eines Sidhe haben' beruht?“, fragte sie Ishara direkt.
„Egal wo ein Sidhe steht und geht, so wandeln alle um ihn herum im Status der Neutralität und bei Bedarf auch Immunität. Keine Handgreiflichkeiten, keine bösen Worte, keine Betrügerein dürfen dann getätigt werden. Denn ein Sidhe hat die Aufgabe Streiterein bei Bedarf zu schlichten oder zu gewährleisten, dass alle Kontrahenten unbeschadet zu einer richtbaren Institution gebracht werden. Aber weißt du was das wirklich faszinierende an dem Spruch ist..der Volksmund will mit diesem Spruch nicht daran erinnern, wie rechtschaffend wir Sidhe doch sind...sondern, wie weit unser effektivster Wirkungskreis reicht.“, schloss sie dann. Wenn man genau hinsah, konnte man sogar ein leichtes Verziehen der Mundwinkel erahnen. Sie würde sicher nicht korrigieren, dass eine Meile eine arge Anstrengung für die meisten Sidhe war. Denn auch so dürfte ihre Botschaft klar sein. Was auch immer da kommen sollte: Mari würde in irgendeiner Form dafür sorgen, dass keiner zu Schaden kam. Auch hier würde sie wohl wieder in ein Fettnäpfchen treten, was zu vermeiden gewesen wäre. Denn die Fremde war kein Kind und wollte auch nicht ihre Hilfe, dass Mari mit einem Schwank aus der Volkskunde ihre Position deutlich machen wollte, dürfte also nicht dazu beitragen, dass die beiden sich inniger verstehen würden.
„Du siehst lächerlich aus. Eine gefleckte Moorkuh starrt wie genau solch eine ins Nichts.“, begrüßte sie dann gedanklich endlich ihren Partner.
„Dir auch einen guten Morgen.“, kam die doch relativ fröhliche Antwort. Riketz schien nicht im mindestens davon geschockt oder beunruhigt, dass a) da irgendwas näher kam, b) Ishara sich auf eine Konfrontation vorbereitete und c) Mari ihm noch nicht den Kopf gewaschen hatte, bzw. das auf sehr harmlose Weise getan hatte.
Das Einhorn fing sich erst eine Kopfnuss ein, als Riketz Maul sich in Maris Sachen grub und getrockneter und weniger trockener Schlamm auf ihre gerichtete Kleidung traf. Man hätte meinen können, dass die Situationsbedingte Anspannung verrauchen würde, nun wo auf der Straße eine Kutsche erahnbar war. Da dieses Fuhrwerk aber auch der Meinung war rumzubrüllen, statt einfach wie ein braver Wagen weiterzuzotteln, blieb der Moment energiegeladen. Die Sidhe runzelte sogar die Stirn, zeigte aber immer noch keinerlei Anzeichen von Unruhe, Besorgnis oder irgendetwas anderem. Aber neben der Tatsache das ein Einhorn neben ihr stand, sie über Magie verfügte, eine priviligierte Kindheit, wie auch Ausbildung erhalten hatte, war es auch alleine ihre Berufung als Sidhe, dass die Frau gar nicht der Gedanke kam oder überhaupt es für nötig hielt sich bedeckt zu halten oder Vorsicht walten zu lassen. Riketz war für solcherlei leider auch nicht hilfreich. Es gab kaum etwas NOCH vertrauensseligeres als ein Einhorn.
„Hey! Alles in Ordnung?“, rief die Sidhe zurück und formte ihre Hände dabei zu Trichtern, dass ihre Worte durch den Nebel zum Ziel getragen werden würden. Da wir ja schon erwähnten, wie neugierig und naiv ein Einhorn sein konnte: Besagtes Einhorn stackste die Böschung wieder hinauf Richtung Straße und gedachte sich das undefinierbare Fuhrwerk samt Insassen und Zugtier näher in Augenschein zu nehmen
[Riketz beruhigt sich dank Isharas Worte| Mari versucht Ishara deutlich zu machen, dass sie die Angriffshaltung nicht dulden würde| sie ruft zum Wagen hinauf| Riketz läuft derweil gemütlich zu dem Fuhrwerk]
Andere Ameisen: Tenebrae, Zirp, Anuka