von Zirp » So 31. Jan 2016, 05:27
Die Erklärungen des Zweibeiners klangen einleuchtend und schürten den Funken Neugier, der sich in ihm eingenistet hatte. Jetzt, wo er einen halbwegs behaglichen Platz hatte, ein Ortswechsel von statten ging und er nichts weiter dafür tun brauchte, konnte er nämlich just diese Erklärung in seinem Echsenhirn von einer Ecke in die nächste rollen. Es dauerte auch nicht lange, bis der Halbelb ein bequemes Tempo hatte, dass auch dem Reptil genügend Sicherheit in ihrer Balance vermittelte, damit er seine Flügel faltete und anlegte, statt zu vor halb geöffnet als Gleichgewichtshilfe genutzt zu haben. Es bedurfte zwar, dass der Drache sich etwas anders drapierte, aber letztlich war es für Beide angenehmer, als erst einmal seine Schwingen aus dem Weg waren. Selbst der Hund war nicht so häufig zu sehen und schon gar nicht so penetrant, wie er es gewesen war, als Zirp noch auf Unter-Augen-Höhe mit ihm gewesen war, denn das Tier stromerte stetig vorweg, kehrte zurück und lief wieder von dannen. Seltsamer Köter. In dem Fall sah Zirp nicht die Verbindung und das Interagieren von Zweibeiner und Hund als ein Rudel. Ihm kam gar nicht der Sinn diese Beobachtung als solche zu sehen. In seinen Augen reagierte das Säugetier einfach leicht verrückt – aber es war auch ein Hund; da war nicht viel anderes zu erwarten. (auch wenn es ein beunruhigend großes Exemplar war, und es ein kleinerer wohl auch getan hätte..). Die pragmatische Herangehensweise an den Speiseplan empörte den Drachen wiederum und zu gleichen Teilen stellte es ihn zufrieden. Anscheinend nahm der Halbelb seine Gesellschaft als so hohen Ehrbeweis, dass er sich mit Futtergeschenken revanchieren wollte. Aber was Geschmack betraf – nun, halber Mensch, das dürfte Erklärung genug sein. Somit zog sich sein Kopf nur ein Stück zurück und der Hals wölbte sich nicht ganz so stark, wie er es bei einer empörten Geste getan hätte. In recht gönnerhaften Ton erklärte die momentan zufriedengestellte Echse: „Ich fresse keine Rabenvögel. Sie sind intelligent genug, um ab und an ihre Gegenwart anzuerkennen – und das reicht, dass ich nicht den Wunsch hege sie zu fressen. Ich fresse auch keine Füchse und die meisten Katzen nicht. Und Menschen natürlich, wobei dort natürlich der Sprachbonus mitspielt, Intelligenz ist nicht immer vorhanden. Oder isst du etwa deinesgleichen?.“, fragte er etwas angewidert und auch neugierig. Wer wusste schon, was Menschen für Gepflogenheiten hatten? Im Tierreich war es weit verbreitet auch seinesgleichen zu vertilgen. Zirp sah sich dafür jedoch als zu zivilisiert, auch wenn es durchaus eine Menge große Vertreter seiner Art nicht so eng nahmen. „Eichhörnchen.“, warf er dann noch hinterher., „und diese kleinen Vögel mit roten Bäuchen, oh, und die braunen und grau-blauen, die flink die Stämme hoch und runterflitzen.“, sinnierte er laut. „Die beste Erfindung des Menschen: Vogelhäuser. Keinen Schimmer warum Menschen glauben Vögel würden erfrieren, wenn man ihnen keine Handvoll Körner streut im Winter – aber es ist wie eine Speisekarte. Soviel Auswahl. Wenn nur nicht diese Kälte wäre und die Nässe.“. Im Grunde war Zirp nicht wählerisch, auch wenn er definitiv anderes behaupten würde. Doch tatsächlich frass er weder Aas, noch besagte Intelligenz-anzeigende Arten. Selbst im Müll würde er wühlen, wenn die Situation ihn dazu zwang – und in diesen war er definitiv bereits gewesen. Doch war er nicht in solch einer Notlage, war er ein Gourmet und durchaus äußerst pingelig; vorallem wenn es nun so aussah, als würde man ihm seine nächste Mahlzeit servieren. So gut seine Tarnung war und wie sinnvoll bei der Jagd: Das hier war nicht Zirps Klima. Es fing damit an, dass er anfällig für Kälte und Feuchtigkeit war und endete damit, dass er auch in seiner eigentlichen Heimat ein Vogeljäger war – nur das seine Opfer deutlich bunter, lauter und quirrliger waren, als die diesigen Vögel. Andere Sachen nahmen sich nicht soviel. Ob er nun sich in eine Buche krallte, oder eine Akazie. Ob das Laub, in dem er wartete die raschelnd großblättigen Kastanien waren, oder die kleinen, fleischigen der Oliven – das nahm sich nichts. Es gab sowohl dichtes Buschwerk und kahle Gebiete und unterschiedliche große, mittlere und kleine Konkurrenten. Am schwersten tat er sich wirklich mit dem Wetter. Was bedeutete, dass er mehr Tage und Zeiten hatten, da die Kälte in seine Knochen kroch und ihn fast lähmte. Feuchtigkeit ein ähnliches Schauspiel. Wobei es eher die tückische Schwächung ist, die ihn schlapp und müde machte. Was dazu führte, dass er häufiger Hungerperioden hatten und dementsprechend zuschlug und, bis auf die Ausnahmen, alles fraß, was er fangen konnte. Bisher war er nie in die Verlegenheit gekommen seine Überzeugung bei der Wahl seiner Mahlzeiten abzusetzen – und wenn es nach ihm ginge, blieb das auch so.
Mit einem langanhaltendem Kopfschütteln quittierte er die nächste Frage des Kindes. „Was soll das denn heißen?“, fragte er misstrauisch. Das klang wie der Hauch einer Kränkung, wie die Andeutung, er wäre kein richtiger Drache und gab die Reaktion, dass er die Krallen ein Müh mehr in die Sachen Lileths grub, als nötig wäre. „Du BIST bereits in einer solchen Geschichte, immerhin befindest du dich ja in meiner Gegenwart, oder nicht? Also wart es nur ab! Kommt schon noch.“, antwortete er dann doch. Die kurze Skepsis und das Suchen nach einem zweideutigem Motiv hinter dieser Frage, beschäftigte das Chamäleon eine ganze Weile, ehe er dazu überging sich zu fragen, ob er Geschichten kannte. Was war überhaupt der Unterschied zwischen Erinnerungen und Geschichten? Etwas zu spät bemerkte er, dass er das laut gefragt hatte. Und da er schon einmal dabei war, konnte er den Zweibeiner ja auch teilhaben lassen an seinen Gedanken, nicht? „Was sind Geschichten nichts anderes, als die Verarbeitung von Erlebten, geschmückt mit dem, was wir gerne so gehabt hätten, wie es aber gar nicht gewesen war und minus den ganzen peinlichem Alltagskram?“, fragte er also. „Oh, und es macht natürlich ALLE meine Erlebnisse zu Drachengeschichten, oder nicht?“, der letzte Part klang sogar wie eine wirkliche Frage und nicht höhnisch oder spottend.
Es war nur eine schwache Ahnung, dass er sein Leben nicht als Geschichte empfand oder erzählenswert. Dabei liebte der Drache durchaus Erzählungen und Epen, nur mit Lyrik und Gesängen wurde er nicht so warm. Jedenfalls, wenn die Gesänge etwas verbalisierten. Ihm war das Zusammentun zu wider. ENTWEDER er hörte einer Geschichte zu, ODER er lauschte der Musik und ließ sich von Klängen und Rhythmik tragen. „Warte mal, ich will schauen, wo wir sind.“, sprach er nach einer Weile gemächlichen Trottens. Und ohne auf Antwort oder Reaktion zu warten, drückte der Drachenleib sich bereits von seiner Position, entfaltete die Schwingen, sprang mit einem Satz auf Lils Kopf und nutzte es als Sprungbrett um mit ausgebreiteten Flügeln den nächstbesten Baumstamm anzuvisieren und anzuspringen. Man brauchte sich nichts dabei zu denken. Warum er nicht einfach nach oben flatterte, sondern geschickt den Stamm hinaufkletterte. Hier kam ihm auch gar nicht in den Sinn, dass er den Halbelben auch durchaus hätte fragen können und sie durchaus Ahnung gehabt hätte, wo sie nun waren – immerhin hatte sie die Richtung angegeben. Den oberen Teil der Baumkrone erreicht nutzte er diese um die dünnen, biegsamen Äste mit seinem Gewicht zu beugen und als unterstützende Sprungfeder zu nutzen und sich in die Luft zu katapultieren. Etwas kräftiges Flattern und er hatte genügend Auftrieb und zog einige kreisförmige Bahnen im weiten Stil um die Gegend auszukundschaften. Dabei suchte er nicht nach solche banalen Sachen wie geeigneten Lagergrund, gute Futter- und Jagdplätze; nicht einmal nach Wasser hielt er Ausschau. Nein, schlicht nach etwas, was seine Aufmerksamkeit fesselte. Etwas Ungewöhnliches, oder Glitzerndes, irgendetwas Lautes oder Verstörendes. Nichts fiel ihm auf und das frustrierte. Genügend, dass er sich pikiert den nächstbesten Baum zum Landen suchte, auf diesen plumpste, nur um mit einem warnenden „kiääääh!“ angegriffen zu werden. Ein Habicht stob aus seinem nahen Ansitz und stürzte sich auf den perplexen Drachen, der sich sofort in die Tiefe fallen ließ und ungeschickt versuchte Ästen und Blattwerk auszuweichen und aus der Baumkrone zu kommen, damit er seinen Sturz abfangen konnte. Letztlich war er in der Lage einen dickeren Ast zu greifen, drehte sich einmal um das Holz und blickte seinen Gegner mit gebleckten Zähnen und einem bedrohlichen Zischen entgegen. Der Habicht war ein Stück kleiner wie er, doch für Zirp ein ernstzunehmender Gegner. Normalerweise ließ er Raubvögel in Ruhe und diese in den Meisten Fällen auch ihn. Er musste dem Nistplatz des Tieres zu nahe gekommen sein, denn der Greifvogel ließ es nicht bei dieser kurzen Verscheuchaktion, sondern suchte den Eindringling und stob abermals auf Angriff. Der Vogel konnte dabei andere Sinne nutzen und ließ sich von den hektischen Bewegungen des für ihn beinahe unsichtbaren Drachens lenken. Im Flug hatte er nämlich durchaus eine Gestalt und war milchig-grauweiß sichtbar, weswegen der Habicht sich nicht beirren ließ, wo Zirp nun wieder auf Tarnung zurückgreifen konnte. „Verdammt nochmal, geh jemanden anderes auf die Nerven!“, zischte er aufgebracht und kroch in den Schutz der Baumkrone. Es half jedoch nichts. Das Tier hatte herausgefunden auf welche Zeichen es achten musste und zeigte eine verblüffend hohe Trefferquote, wo er sich nun befand. Jetzt mit wirklich mieser Laune arbeitete das Reptil sich schleunigst gen Boden vor und plumpste zu Boden – den Vogel im Nacken. Nein, Hund im Nacken, der Vogel im Nacken, der Zirp im Nacken. Mit einem erschrockenen Kreischen flitzte die Echse davon. DAS war ihm dann doch etwas zu viel und hatte ihn maßlos einen Schrecken in die Knochen getrieben. Mit dem Habicht hatte er gerechnet und sich darauf konzentriert, alle Sinne in seinen Rücken fokussiert, während er sich in Richtung Boden hatte vorgearbeitet – aber den großen Hund, der ohne Gebell mit einem Schlag aus dem Gebüsch sprang und nach dem gefiederten Räuber schnappte – DAS war Herzinfarktträchtig. Peinlicherweise erholte sich das Federtier viel schneller als das Reptil und hatte genau die Portion Glück und das Müh mehr Geistesgegenwertigkeit, dass Cyron nur Schwungfedern zu greifen bekam, keine Muskeln und keine Knochen. Im Gegenteil, es handelte den Situationsbedingten Held empfindliche Schnabelhiebe auf die Nase ein und kräftige Flügelschläge auf den Kopf. Zirp unterdessen hatte keine Lust und Muse sich um Vogel und Hund zu scheren, sondern suchte sein Heil in der Flucht – oder versuchte es wenigstens. Denn da war mit einem Mal ein Hindernis vor ihm, was verdammt noch vorher da nicht gewesen war! Damit prallte Zirp ungebremst gegen die Halbelbe. „Ihr bekommt Glöckchen um, ALLE BEIDE! Sowas sollte verboten werden!“, keifte der durchgeschüttelte Miniaturdrache, der sich ohne Federlesen an dem Zweibeiner hochzog und um den Hals wickelte und zwar so eng, dass sein langer Hals beinahe an seinem Hinterteil ruhte und der Schwanz seine eigene Schultern streifte; Flügel eng an sich gepresst und so klein wie möglich machend. Dabei überging er komplett, wie er Lil damit komplett behindert hatte, da sie Schussbereit mit Bogen in Position gestanden hatte mit klarer Linie zu dem Greifvogel.