von Aleister » Mi 9. Aug 2017, 13:49
„Bei Kyan und mir wird das nicht so sein, niemals!“
In Lillianas Worten schwang eine Bestimmtheit mit, die der Greifin imponierte. Es war gewiss nicht mehr, als...wie nannten die Menschen es...der Idealismus der Jugend? Dennoch.
Vom Bauer aus der tiefsten Provinz bis zum Novizen, der eifrig auf seine Reise losstiefelte, hatten sie alle dieses Bild im Kopf: Der Sidhe und sein Tier, ein Band geschmiedet vom Schicksal selbst, das unzertrennliche Team, das am Tagesende einträchtig dem Sonnenuntergang entgegenritt.
Die Realität aber sah anders aus. Das zwei völlig gegensätzliche Charaktere sich zusammenfanden...nun, auch das kam vor. Die engsten Partner zofften sich mal, und wurde der Streit nicht laut ausgetragen, dann eben in Gedankensprache. Was zugegebenermaßen witzig aussah, wenn Zweibeiner und Tier sich schnaubend gegenseitig in den Boden starrten.
Diese beiden hier waren keine Küken mehr aber auch noch nicht flügge. Eine Zeit, in der der Charakter, Werte und Vorstellungen sich noch formten. Hoffentlich behielt Lilliana Recht. Ihre Freundschaft zu Kyan schien im Moment der einzige Strohhalm zu sein, an den sie sich klammern konnte.
Als Thethys ihr Angebot unterbreitete, sah es für einen Moment aus, als würde die kleine Magierin einschlagen. Bei der Erwähnung einer Unterkunft und einer warmen Mahlzeit leuchteten ihre Augen und ihre Mundwinkel zuckten, als würde sie sich an das Gefühl erinnern, auf etwas Schmackhaftes zu beißen. Wie lange sie schon auf Baumwurzeln kaute, konnte man sich ja ausmalen. Kaninchen häuten und braten tat sie jedenfalls nicht. Oder Kyan war ein schlechter Jäger. Konnte ja sein.
Lilliana erhob sich, strich ihre Kleider glatt und sagte:“Wir nehmen keine...Almosen. Auch wenn du es sicher gut meinst. Und Fragen stellt man in einem Dorf immer.“ Sie lächelte verlegen. "Aber Bach klingt gut, mein Wasser habe ich ja aus Versehen verschüttet."
„In diesem Dorf nicht.“, wollte Thethys erwidern, ließ es aber. Richtig, sie hatte es gut gemeint. Wie sie wollte.
Die beiden misstrauten ihr, doch zumindest Lilliana ging es diplomatisch an. Sie war der Kopf, keine Frage. Kyan stand beratend zur Seite, aber das letzte Wörtchen würde sie haben. Der Suavis würde aufblühen, wann immer er in seine Beschützerrolle schlüpfen konnte. Das klassische Modell, wie die Mentoren witzelten.
Ein Glucksen entkroch der Kehle der Greifin. Sie erinnerte sich daran, wie sie vor Jahrzehnten versucht hatte, dieses Modell umzukehren...und gescheitert war. Die Jahre hatten sie in dieselbe Rolle gedrängt wie den Suavis. Er mochte damit zufrieden sein, sie aber nicht. Vielleicht wäre es an der Zeit, ihre Alphaweibchen-Instinkte wiederzuerwecken.
Kyans Augen ruhten weiterhin auf der Greifin, aber im Hier und Jetzt war er nicht. Die Rädchen in seinem Kopf konnte sie förmlich rattern hören. Ob er Lilliana böse Vermutungen in den Kopf flüsterte?
Sie müssen ausgebildet sein. Mir kann keiner was anderes erzählen.
Aus dem Unterholz weckte ein Knacken Thethys aus ihrem Gedankenbrei, begleitet von Stimmen. „Wir sorrten ros.“, brummte der Suavis mit einem kehligen Akzent, den die Greifin zugegebenermaßen den krächzenden Versuchen ihrer jungen Artgenossen vorzog, und nahm seinen Platz neben Lilliana ein. Es war deutlich, dass beide es eilig hatten.
Warum sind sie so nervös? Wer auch immer das ist, gefährlich werden kann er uns wohl kaum.
Die Entscheidung, ob sie gerade unterschätzt und somit gekränkt worden war, beschloss die Greifin auf später zu verschieben. „Verstehe. Folgt mir.“
Lilliana und Kyan im Schlepptau, führte Thethys die Gruppe über das Feld Richtung Westen, gehüllt in ein Schweigen noch dicker als ihre Rüstung. Sie wusste selbst nicht, was sie sich dabei dachte. Alles, was sie hierzu bewegte war ein Gefühl, ein Gefühl von Verantwortung gegenüber einer kleinen Nackthaut, die sie nicht einmal kannte.
Am Rande des Felds rückten die Bäume zusammen, als hätten sie Angst, jemand könnte sie auseinander reißen. Zweige, Äste und Wurzeln hielten sich an den knorrigen Fingern und machten ein Passieren zu einer komplizierten Sache. Jedenfalls für Thethys. Nicht nur war sie von sperrigem Bau, auch ihre Rüstung bot eine gute Gelegenheit für die schelmischen Kinder des Waldes, sie an allen Ecken und Kanten zu streifen. Seufzend legte sie ihre Flügel an und wagte den ersten Schritt. Sie hatte etwas versprochen.
Es war ein mühsamer Gang für das Himmelstier. Lilliana, so dünn wie die Äste selbst und Kyan, der mit seiner katzenhaften Geschmeidigkeit wie ein Wiesel durch Engstellen schlüpfte wie kein Zweiter, machten sie nervös. Diese launische Katze konnte ihr jederzeit in den Nacken springen. Das half nicht.
Nach einer gefühlten Ewigkeit war der Bach erreicht und begrüßte die Gruppe mit einem lustigen Plätschern. Der Boden hier war weich und bedeckt mit Halmen und duftenden Kräutern. Ein junger Rehbock, der sich gerade am Wasser labte, schreckte bei ihrer Ankunft auf und sprang sofort ins Unterholz. Sie waren allein.
„Bitteschön. Der Bach.“, präsentierte Thethys und ließ Lilliana und Kyan, die den Anblick ihres Rückens satt haben mussten, vorbei. Durst. Ihre Kehle war trocken wie Staub. Das musste vom vielen Reden heute kommen.
Die Greifin versuchte aus dem Dickicht herauszutreten, scheiterte aber schon beim ersten Schritt. Ein Ast hatte sich in ihrem Fürbug verhakt und egal wieviel Kraft sie in ihr Fortschreiten steckte, er ließ nicht nach. Der Stahl drückte unangenehm gegen ihren Brustkorb. Sie musste still bleiben und den Ast entfernen, sonst würde sie sich noch ihre Rüstung herunterreißen. Wie lästig! Knurrend nahm sie das Holz in den Schnabel und probierte, ihn mit ihrer Tatze zu erwischen, aber die Spannung reichte nicht aus, um ihn entzwei zu hauen.
„Man könnte meinen, du hättest von deinem letzten Fehler gelernt.“
Die weibliche Stimmte war dicht hinter ihnen ertönt. Thethys wollte herumdrehen, aber die Frau war schon an ihrer Seite und befreite den Ast.
„Kalinda? Du hier?“ Die gelben Raubvogelaugen wurden groß wie Teller. Auslöser war eine hochgewachsene Frau mittleren Alters, in deren braunem, wettergegerbten Gesicht ein warmes Lächeln saß. Ihre rotbraunen Haare hatte sie zu einem Knoten zurückgebunden und ihr drahtiger Körper war gekleidet in der Tracht einer Waldläuferin. Hier und da waren Kratzer im schlammfarbenen Leder und die Stiefel sahen aus, als hätten sie schon ein paar Meilen hinter sich. Ein Langbogen mit Köcher baumelte an ihrem Rücken herab, so wie eine...Angel?
Ein unverkennbarer Geruch stieg den Gefährten in die Nase. Er kam von einem Netz voller Fische, das um ihr Handgelenk gespannt war.
„Ich brauche mal ein paar Tage Urlaub von Tribuna. Ich war fischen, wie du sehen du kannst, und schon auf dem Rückweg - da habe ich dich trampeln gehört. Ich hatte auf ein Reh gehofft, aber Greif ist auch nicht schlecht.“ Die Frau lachte. Dann bemerkte sie Lilliana und Kyan.
„Oh, du hast Gesellschaft! Sind das...“
„Gerade frisch aus der Ausbildung. Ich...unterweise sie.“, log Thethys und trat mit der Frau an die beiden heran. Im Gegensatz zur Geflügelten machte sie dabei kaum Geräusche. Ihre Auftreten war selbstbewusst und offen - aber definitiv nichtmagisch.
Sie zog die Stirn kraus, nickte Lilliana und Kyan dann aber zu, wobei sich tausend Lachfalten um ihre Augen legten. „Freut mich. Tut mir leid, wenn ich euch erschreckt habe. Es sind komische Leute unterwegs. Ich bin Kalinda, Thethys‘ Ärztin. Und ihr seid?“
Thethys senkte den Blick. Wieso musste sie das jetzt erwähnen? Jetzt sah sie aus wie ein alter Tattergreif.
ein paar Monate vorher
Thethys führt Lilliana und Kyan wie abgemacht zum Bach, um Wasser zu holen. Dabei verhakt sie sich im Gestrüpp, wird aber von einer Frau befreit, die sich als Kalinda vorstellt. Sie und die Greifin scheinen sich zu kennen.
Spieler: Lilliana mit Kyan, Thethys
NPCs: Kalinda
火の無い所に煙は立たぬ