von Marijke » Do 18. Jun 2015, 00:03
Die bildhafte Beschreibung, die Isharas gegeben hatte, geisterte im Kopf der Sidhe. Und das nicht im positivem Sinne. Es war auch nicht der Ekelfaktor, der es ihr kalt den Rücken runterlaufen ließ -es war die .. Beiläufigkeit und die Verärgerung. Für eine kleine Sekunde lang fragte Mari sich wirklich worum es hier eigentlich ging. Das Verhalten war falsch. Die ganze Situation war falsch. Die Intention hinter der Anklage Isharas war ihr im Moment ein wirkliches Rätsel -denn wirklich beeindruckt schien das Waldkind nicht von der fremden Frau oder sich überhaupt groß zu kümmern, was für einen Hintergrund diese hatte. DAS wiederum verärgerte Marijke. Es war nur eine pure Vermutung und in ihrem Kopf klingelten weitaus wichtigere Sachen, als dass sie just über Beweggründe nachdenken sollte, aber dagegen verwehren konnte sie sich nicht. Die Bogenschützin konnte damit ein Leben kaputt machen, es sogar beenden, wenn man ihr Glauben schenkte – und sie tat das um Recht zu haben? Einfach um das letzte Wort zu behalten? Mari driftete wieder in den theoretischen Modus ab. Sie hinterfragte nicht nur die Entscheidung Isharas – sondern deren Moral, aufgrund dessen sie ihre Entscheidungen traf, und das wiederum machte Mari beinahe kirre. Es trieb ihr die Röte in den Nacken und die Wangen. So etwas unbedachtes, unverantwortliches. So...so..eigensinnig. Und wie ein bockiges Kind nahm sich Ishara des Pferdes an und schwieg sowohl den Rest des Weges, als auch nach der Ankunft der Gruppe im Schafstall.
Trotzdem waren diese Gedanken nicht der eigentliche Grund, warum sie sich damit beschäftigte. Einerseits verachtete Mari Isharas Vorgehensweise, genauso wie ihre Gründe dazu – aber das Ursprungsproblem blieb dennoch gleich: Wie die Sidhe damit nun umging. Alles andere war nur eine geschickte Ablenkung ihrerseits, damit sie etwas Zeit gewann, bevor sie sich mit dem eigentlichen Übel konfrontieren musste.
„Hab ein Auge auf unsere Patientin.“, wies Mari Riketz an, als sie ohne Blickkontakt oder Kommentar an den Wassertrog herangetreten war, um das Wasser scheinbar gedankenverloren zu streicheln. Anweisungen brauchte sie keine geben, Emma, die als letzte den Raum betrat, machte sich ohne Umschweife daran sich zu entkleiden und zu säubern. Mari wiederum gab der Fremden ein wenig Privatsspähre und verließ den Stall mit einem Eimer. Ishara schien ebenso zu wissen was sie tat und damit blieb vorerst nur die Untersuchung des Wagens. Riketz stand nun beiläufig und sehr zufällig zwischen dem Waldkind und der sich säubernden Emma und tat wie ihm gehießen -Er führte nicht nur Maris begonnene Arbeit fort das Wasser aufzuwärmen; er tat auch beiläufig so, als untersuche er mal wieder einen der Holzsäulen und schabte seinen Hals an diesem; während er natürlich sehr beiläufig immer mal wieder zum Patienten linste. Viele Menschen hatten nicht nur ihre Bedenken was Magiewirkende betraf, sie hatten auch ihren Stolz und wollten sich keine Blöße geben. Etwas, was durchaus verständlich war und in diesem Fall war es auch unnötig eine Art Machtdemonstration daraus zu machen und „die Patientin“ wissenschaftlich anzustarren. Riketz würde Mari schon wissen lassen, wenn es ernsthafte Verwundungen gab. Es war immerhin nicht nur Marijke, welche die Sidheausbildung gemeistert hatte.
Die Untersuchung des Wagens ging vergleichsweise schnell und ereignislos von statten. Nicht, das Mari generell groß Ahnung von dem mehr oder minder komplizierten Zaum hatte. Während sie sich die Riemen beschaute versuchte sie im Kopf zu rekonstruieren, wie sie miteinander verbunden waren und warum. Wirklich schlau wurde sie daraus nicht. Aber es waren gut gearbeitete Schnallen und sie fand , bar jeder wirklichen Vergleichsbasis, nichts was kaputt aussah. Der Wagen direkt sah anders aus. Die Achsen waren nicht gebrochen, aber sie fand an einem Rad Risse im Holz, wo sich das Rad durch die Wucht der ungewollten heftigen Bewegungen gelockert hatte und nicht mehr weit von ernsterem Problemen war. Auch sah der Wagen mitgenommen aus. Schlammbeschmiert und ein paar ungewollte Äste hatten sich als blinde Passagiere verhakt. Dennoch nichts, was in ihr Arbeitsmetier fiel. Nach dieser kurzen Zusammenfassung hatte der Nieselregen es noch nicht geschafft eine ernst zu nehmende Menge Wasser im Eimer anzusammeln, was die Sidhe dazu veranlasste frustriert einmal um den Schafstall zu waten (anders konnte man das nicht nennen, was die Kombination aus Wadenhohen Gras und ebenso hohen Matsch anstellte) um dann mit bitterer Siegesgewissheit den Eimer an einer längst überquellenden Wassertonne aufzufüllen, die sie beim Rundgang entdeckte. Leider hielt ihr Gewinn nicht lange, denn nun war alles unter ihren Knien triefend nass. Aber auch das häufte Mari stoisch auf ihren gedanklichen Haufen des „Ignorieren, einfach ignorieren – sonst stirbt irgendetwas.“
Mit dem Eimer kehrte die Sidhe nun zu dem Pferd und dem Waldkind zurück. Wahrscheinlich würde sie noch ein paar mal gehen müssen, sollte das Tier wirklich Durst haben. Während das Pferd trank beobachtete die Sidhe, wie Ishara es verarzte. Das ganze Gebaren des Kindes schrie Wut und Abweisung in ihr Gesicht, doch ihre Bewegungen zu dem Pferd waren beständig, präzise und nicht unnötig hart. Mari wurde daraus nicht wirklich schlau. Das Tier schien definitiv höheren Stellenwert zu haben, als das Leben des Menschen, welches die Bogenschützin einfach so mit ihren Anklagen in Verruf brachte. Womit sie hingegen überfordert war, was nun zutun war -und dabei meinte sie nicht unbedingt den ethischen Aspekt, dass sie eine Entscheidung zu fällen hatte. Nein, wie Mari da so stand und den Eimer hielt und noch mehr eingenässt wurde von dem Pferd, welches das Wasser quasi inhalierte und dabei unweigerlich eben jenes Wasser auch über den Eimerrand trieb, hatte sie den Drang sich erklären zu müssen, zu verständigen -dem Waldkind BEGREIFLICH zu machen was für eine Verantwortung die eigenen Taten hervorriefen. Am liebsten hätte die Sidhe Ishara geschüttelt, bis deren Moral etwas anders tickte. Wobei Mari sich nicht sicher war, ob sie sie nicht lieber schüttelt wollte in der Hoffnung diese undankbare Entscheidung fiel von ihr ab. Oder einfach weil ihr die Vorstellung gefiel und Genugtuung versprach. Letztlich starb in ihr der Moment des Gesprächssuchens, als Maris Aufmerksamkeit kurz von der Unheilabwehrenden Geste Emmas erfasst wurde. Ein wenig befreiend, dass nicht nur Mari das riesige Kalb von Hund beunruhigend fand. Desweiteren befand sie, dass jetzt nicht der Zeitpunkt war für ein philosophisches Gespräch.
„Ich kann mir seine Beine ansehen. Tierheilung ist nicht unbedingt mein Spezialgebiet, aber bei leichteren Blessuren kann ich Energie um die verwundeten Stellen legen und dem Körper dadurch etwas schneller und gezielter darauf aufmerksam machen, sowie den Vorgang etwas beschleunigen.“, wandte sie sich an niemanden bestimmten, wobei sie Isharas Blick für einen Moment suchte, als wäre die Idee an sie adressiert. So tastete sie das Bein ab, welches Ishara besonders aufmerksam behandelt hatte und indessen auch mit Wasser gekühlt.
„Der Wagen scheint in Ordnung zu sein. Eines der Räder hat etwas abbekommen, sollte jedoch noch ein gutes Stück halten, bis es repariert werden kann.“,
dieses mal wandte sich die Sidhe wirklich an Emma. Die fremde, potenzielle Mörderin war mittlerweile fertig. Wie angeboten nahm sich Mari des Obergewandes an, reichte Emma ein Stück des Kleidungsstückes und zusammen wuschen sie es grob in dem Trog aus. Nach dem Auswringen legten sie es über eines der Stallgatter und die Sidhe strich so lange über das Kleid, bis es trocken genug war um nur noch als klamm zu gelten. Somit wäre auch das erledigt.
„Es gefällt mir hier, wir sollten noch ein wenig ausruhen, bevor wir weiterziehen.“, erreichten sie die Gedanken ihres Partners. Mari verzog das blasse, müde Gesicht. Keine Chance, dass es dem Einhorn hier gefiel.
„Mir geht es gut, wir haben schon genug Zeit vertrödelt.“, gab sie abweisend zurück.
„Genügend, um uns nun auch die Zeit zu nehmen, aufzuwärmen, zu trocknen und dann mit mehr Elan weiter zu machen.“, konterte Riketz.
Zu der Vorstellung der Fremden nickte Marijke höflich. „Ja, das seit ihr. Wobei ihr noch eine gute Strecke vor euch habt. Eure Richtung war die Richtige. Eurem Pferd solltet ihr jedoch schnellstmöglichst etwas Ruhe gönnen, genauso wie den Wagen reparieren lassen. Etwa sechs Stunden von hier aus gesehen liegt eine Taverne, wir sind gestern daran vorbei gekommen – dort sollte man euch bei Beidem helfen können.“, antwortete die Sidhe sachlich. Auch jetzt befiel sie der Drang sich zu erklären, die Fremde zu fragen, ob die Anklagen der Wahrheit entsprachen. Doch was sollte sie als Antwort erwarten? Ein Geständnis? Eine Verneinung? Wie verhielt man sich in so einer Situation? De facto ging es sogar ein Schuljahr lang in der Ausbildung um die Machtposition der Sidhe und über die Auswirkungen ihrer Worte und Taten. Nur in der Theorie war es natürlich einfach sich langsam und bedacht eine Antwort über knifflige Sachlagen zu suchen, als diese dann plötzlich über den Zaun brechen zu müssen -in einem Schafstall; während man pitschnass, kalt und geschafft war und ohne alle Fakten zu kennen. Gab es den Anschein, als kümmere sie sich nicht um die Anklage, wenn sie Emma einfach ziehen lies? Ja, natürlich gab es das. Aber es gab auch keine richtige Anklage. Gäbe es eine Anklage, dann wäre die Sachlage klar -sie hätte Angeklagter und Zeuge zur nächsthöchsten Instanz gebracht, was in dem Fall Shirga wäre. Doch wo lag das Problem daran, genau diese Frage zu stellen? Einfach das Waldkind fragen, ob es eine Anklage erheben wolle. Weil sie glaubte zu wissen, das Ishara nicht wusste, was das nach sich ziehen würde und gegen diese Umstände scheuen würde? Weil sie glaubte zu wissen, dass sie nicht viel tun konnte, um Emma festzuhalten, ohne Magiegebräuchlich zu werden? Weil Mari feige war und gar nicht testen wollte, wie die Situation ausgehen würde?
„Sie glaubt dir. Sie ist skeptisch, aber sie glaubt dir.“, raunte Riketz in Gedanken zu Ishara. „Sie weiß nur nicht, was sie nun tun soll. Was du getan hast kann ein Sidhe nicht bewerkstelligen. Und sie hat Angst davor Bilder eines kleinen Nagetieres dazu zu nutzen, um das Leben eines Menschen zu schaden und noch mehr Angst davor, dass es wahr sein könnte und eben jene verschwommenen Erinnerungen eines Tieres sind die einzigen Beweise um andere Menschen zu schützen. Nur, dass die Zahl, die eben deine Worte unterstützen können, sehr gering sind.“
Es war ungefragt offen, was er da dem Waldkind zu verstehen gab. Riketz selbst verstand nicht direkt die Tiefe der Betroffenheit und das Rechtssystems Thalias. Dazu war er zu sehr Tier, und rhetorisch zu bewandert, um nicht die kolossale Lücke darin zu sehen, wie unbedarft eine Gerichtsverhandlung war um WIRKLICH wirkungsvoll gegen wirklich bestandene Verbrechen zu sein. Es war auch nicht so, dass er einfach wittern könnte, wenn jemand „schuldig“ war. Es gab Auslöser, wenn er sich anders verhielt. Es mochte beispielsweise durchaus als Indiz gelten, dass er bisher kein Wort an Emma gerichtet hatte. Aber Riketz konnte sein eigenes Verhalten in solchen Fällen nicht wirklich deuten oder in die Waagschale legen. Dazu gab es zuviele andere Gründe, die ihn ebenso verstummen lassen bei fremden Personen. Anders als Mari ahnte Riketz, dass das Waldkind sich in einen kurzen Moment hatte beweisen wollen, wahrscheinlich selbst zu erschrocken von den Erinnerungen, die sie wahrgenommen hatte von dem Nagetier. Ebenso wie Marijke in einem verwirrenden Versuch versuchte Ishara vor der Weitläufigkeit dieser „Offenbarung“ zu schützen und gleichzeitig zu belehren -wenn die Sidhe das auch nicht selbst mitbekam oder es sonderlich gewollt war.
„Man wirft einem nicht einfach an den Kopf, was dieser getan oder nicht getan hat. Das führt zur Lynchjustiz und am Ende bleibt nur der Stärkste am Leben – egal, ob er schuldig war oder nicht.“, versuchte Riketz sich daran Mari zu imitieren und nutzte dabei einen übertriebenen sachlich-besserwisserischen Tonfall.
„Aber wir wissen, dass es am Ende immer darauf hinausläuft. Am Ende ist es immer der Klügere, oder Stärkere, oder der mit dem meisten Glück. Darin liegt keine Schuld und auch kein Schmerz – so ist das Leben nun einmal. Doch das ist das Bizarre und faszinierende an euch träumenden Wesen -ihr baut Ideale und Moral und Ethik und macht aus der Welt, die ihr denkt, etwas anderes, manchmal etwas...gütiges, machmal nicht, aber immer etwas Neuartiges.“, sprach er dann sacht weiter.
Wahrscheinlich wollte er noch mehr sagen, doch in dem Moment erhaschte er die Aura eines anderen, bekannten Wesens. Somit waren seine nächsten Worte sowohl an Ishara, wie Mari gerichtet, wo er zuvor nur mit dem Waldkind geredet hatte.
„Ich spüre Ginil.“, drei einfache Worte, die Verwunderung und Erleichterung ausströmten. Mari versuchte zwar ihren Fokus beisammen zu halten, aber man sah doch deutlich, wie ihre Haltung sich ein wenig entspannte.
[Mari spielt Hausfrau und möchte Ishara würgen| Riktz spricht mit Ishara und spürt Ginil]
Andere Ameisen: Tenebrae, Zirp, Anuka