Humen sah Talibor gelassen nach und lächelte kühl in sich hinein. “Wir werden sehen ob ich es bereue…” Als die Tür ins Schloss fiel, stand der General der Zar’Dras auf, legte seinen Waffengürtel mit Geldkatze, Messer und Peitsche ab und hängte sie über die Stuhllehne, ehe er zum Fenster trat und auf die Dächer der Stadt hinausschaute. Die Sonne ging gerade unter und tauchte die roten Schindeln des Ortes in ein helles Orange. In diesem Licht betrachtet, wirkte Port Amun harmonisch und friedlich. Doch in seinem Inneren war es wohl das dunkelste Loch Thalias. Wie er nun dort am Fenster stand und die Dächer betrachtete, wurde er doch etwas wehmütig. Fünfzehn Jahre ist es nun her, wo er Vodras nach Torlamun folgte, zusammen mit ihm und den wenigen übrigen Verbündeten eine Siedlung errichtete, Höhlen in den einsamen Berg trieb und eine Trotzburg errichtete, inmitten des scheinbar leblosen Landes. Doch was hatten sie in diesen wenigen Jahren alles geschafft? Sie hatten einen festen Platz zum Leben gefunden, doch anstatt sich damit zufrieden zu geben, wird Vodras von Neid auf die Thalianer zerfressen.
Was würde geschehen, wenn Humen nun einfach hier bleiben würde, hier in Thalia und Port Amun? Sich eine neue Existenz aufbauen würde? Sein Kiefer verkrampfte sich schmerzhaft und verbissen wandte er sich vom Fenster ab. Dieser Gedanke war absurd. Vodras duldete keine Aussteiger und selbst als bester Kämpfer der Zar’Dras würde er sich nicht wehren können und sein Leben wäre ab dem Moment verwirkt wo er den Kontakt zu Vodras abbrechen würde. Mit dem Tag, wo er Vodras in die Schlacht vor Gil’Leading folgte, hatte er seine Freiheit verwirkt. Selbst als zweiter Anführer - oder gerade deshalb - war er an einen unausgesprochenen Eid gebunden. Seine Anwesenheit in Port Amun war ein Risiko - als einer der meist gesuchtesten Männer in Thalia befand er sich auf dünnen Eis. Mit den einfachen Kopfgeldjägern würde er fertig werden, vielleicht auch mit ein oder zwei Sidhe zugleich.
Hör auf zu Grübeln und ruhe dich etwas aus. Ich werde die erste Wache übernehmen.
Gimle riss Humen aus seinen trübsinnigen Gedanken. Die Reise nach Thalia schien etwas in Humen wach zu rütteln. Nie kam er vorher auf den Gedanken bei den Zar’Dras auszusteigen, hatte nie den Wunsch verspürt sich von Vodras zu trennen. Wortlos trat er zu Gimle an das unordentliche Bett. Der schwarze Suavis sprang von der strohgefüllten zerschundenen Matratze und rollte sich stattdessen direkt vor der Tür zusammen, so dass sie nicht geöffnet werden konnte. Mit einem leisen Seufzer streckte sich Humen auf dem Lager aus und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Sie waren lange unterwegs gewesen und die war die erste Nacht seit Tagen, wo er wieder in einem Bett auf festen Boden lag. Wir sollten den Jüngling im Auge behalten. Nicht das er doch was anstellt. Ich werde ihn morgen beobachten, bin gespannt wie sich dieser Gockel in der freien Wildbahn macht. Du suchst doch nur nach einem Grund ihm eines auszuwischen. Vielleicht… Ein tiefes Brummen signalisierte eine Art Schnurren, während Gimle sich in den schönsten Bildern Talibors Versagen an der Aufgabe ausmalte. Humen lag mit geschlossenen Augen da und versank in eine Art Meditation, löste seinen Geist und seine Gedanken und versank nur wenige Atemzüge später in einen tiefen Schlaf.
Gimle bemerkte wie Humens Geist immer schwächer wurde und am Ende nur noch als eine kleine Flamme in ihm brannte. Aufmerksam beobachtete er der den Menschen im Bett, wie er vollkommen erschöpft nun die Energie tankte, die ihm diese Reise gekostet hatte. Er war in diesem Moment so verwundbar und hilflos. Der Suavis wusste, dass allein seine Anwesenheit seinem Partner die Entspannung geben konnte, er so dringend brauchte in seiner Position. Gimle hasste Vodras für das was er getan hatte, als er Humen dazu verführte ihm zu folgen. Ihm Dinge versprach wonach er sich sehnte, Anerkennung und Ruhm. Doch Gimles Zureden hatte nicht geholfen, die Zweifel von Humen wurden von Vodras Schmeicheleien verdrängt und nun, außerhalb der Reichweite seiner giftigen Worte, überkamen Humen wieder die alten Zweifel. Es war eine merkwürdige Situation. Würde Humen sich tatsächlich durchringen können von Vodras abzunabeln? Kann er so einfach das Band kappen, welches ihn und Vodras seit der frühsten Kindheit verband? Doch was würde dann geschehen? Sie wären Verräter an der Sache der Zar’Dras und gleichzeitig Verfolgte der Sidhe. Sie würden nirgends Ruhe finden, das hatte Humen richtig erkannt. Doch Gimle würde ihm folgen, egal wohin. So wie er ihm auch schon nach Torlamun gefolgt ist.
Gimle ließ Humen schlafen und hielt die ganze Nacht Wache. Döste selber nur im Halbschlaf vor sich hin und behielt mit halb geöffneten Augen das Fenster im Blick. Die Tür in seinem Rücken konnte sich nicht mal ein Fingerbreit öffnen, ohne dass er es bemerkt hätte. Davon abgesehen, dass der schwere Körper die Tür so blockierte, dass es schier unmöglich war sie ohne enorme Kraftaufwendungen zu öffnen. Erst als die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster drangen, wurde Humen wach und schreckte hoch. Wieso hast du mich nicht geweckt?
Gimle gähnte ungeniert und blinzelte seinen Partner nur an, blieb eine Antwort jedoch schuldig. Wehe du bist heute zu erschöpft um zu agieren.
Darum mach dir mal keine Gedanken. Ich schleiche mich mal zum Hafen, suche etwas zum Fressen und schaue bei Filke vorbei wie sich unser Gockel so macht. Wir sollten den Kontakt nur auf das Nötigste minimieren - Viel Erfolg.
Mit diesen Worten stand der Suavis auf, streckte sich und sprang aus dem geöffneten Fenster um sich über die Dächer durch die Stadt zu schleichen.
Gib auf dich Acht.
Doch die Verbindung zwischen ihnen wurde zunehmend schwächer, bis sie fast gänzlich erlosch. Es war eine Vorsichtsmaßnahme um nicht die Aufmerksamkeit anderer Sidhe auf sich zu ziehen, welche ihre Präsenz feststellen konnten. Doch es war ein beklemmendes Gefühl, als ob ein Teil des Körpers abgeschnitten und in eine Truhe gesperrt wurde.
Humen blieb noch etwas orientierungslos auf der Bettkannte sitzen und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Heute würde er einen Schmuggler treffen, Präsenz zeigen und eine neue Lieferung an Holz organisieren. Holz war in Torlamun eine absolute Mangelware, in dem harten Boden haben sie es gerade geschafft eine einigermaßen laufende Getreide und Gemüseproduktion zum Laufen zu bringen. Doch der Baumwuchs dauerte zu lange, daher waren sie von Lieferungen aus Thalia abhängig. Finanzielle Geschichten, die Humen so gar nicht lagen und für die Vodras eigentlich andere Männer hätte. Warum er nun in Port Amun noch Geschäfte erledigen sollte, war ihm unklar.
Mit nicht sonderlich guter Laune nahm er seine abgelegten Sachen auf, überzeugte sich davon keine Gegenstände im Zimmer vergessen zu haben und stieg hinab in den Schankraum. Der Gastraum war für die Tageszeit schon gut gefüllt und Humen setzte sich in Thekennähe um sich ein Bier und etwas zum Frühstücken zu bestellen. Es war ein karges Mahl mit dem verdünntem Frühstücksbier und Brot mit Schmalz, aber es reichte zum satt werden. Die Gäste um Raum scherten sich nicht um die verhüllte Gestalt in der Ecke, mit ihrer dunklen Kapuze und der Lederhaube darunter. Deshalb konnte Humen unbehelligt den Start starten und sich auf den Weg zu dem Händler machen.
[tbc Goldene Gans]
17. Kiriat morgens
Humen sinniert über seinen Aufenthalt in Port Amun, schläft und plant den nächsten Tag
Humen